Selten schaffte es Favorit

Die Top-Kandidaten der Doppel-Konklave von 1978 waren Italiener, Papst wurden aber andere.

WIEN. Wer als Papst ins Konklave zieht, kommt als Kardinal heraus - sagt ein vatikanisches Sprichwort. Und tatsächlich: Selten noch wurde der im Vorfeld in der Öffentlichkeit gehandelte Favorit Papst. Auch im päpstlichen "Superwahljahr" 1978, als innerhalb weniger Wochen zwei Konklaven stattfanden, war es nicht anders.

Nach dem Tod von Paul VI. im August 1978 nahmen die Buchmacher dieser Welt noch keine Wetten auf Papstwahlen an. Doch in den Medien wurde umso lustvoller über die Nachfolge im Vatikan spekuliert. Die Zeitungen waren der festen Ansicht, dass entweder der konservative Giuseppe Siri von Genua oder der enge Freund des soeben verstorbenen Papstes, Sergio Pignedoli, das Rennen um die Papst-Nachfolge gewinnen würden. Auch der Florentiner Erzbischof Giovanni Benelli wurde im Vorfeld als möglicher Pontifex genannt.

Guiseppe Siri war der Wunschkandidat der Konservativen. Der damals 72-jährige Erzbischof von Genua hatte im Zweiten Vatikanischen Konzil in fast allen Fragen zur großen Kirchenreform Widerstand geleistet und daher den Beinamen "der Superkonservative unter den Konservativen" erhalten. Als sein Gegenspieler stellte sich der Erzbischof von Florenz, Giovanni Benelli heraus, der als energischer Liberaler galt. Benelli soll im August 1978 maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, dass Siri es nicht auf den Heiligen Stuhl schaffte, sondern Albino Luciani neuer Papst wurde. Im ersten Wahlgang hatte Siri mit 35 noch die meisten Stimmen erhalten, dicht gefolgt von Luciani. Auf Grund von Benellis Intervention seien die Konservativen der 111 wahlberechtigten Kardinäle aber bereits im zweiten Wahlgang zu Luciani übergegangen. Der Patriarch von Venedig wurde schließlich Papst Johannes Paul I.

Keiner konnte jedoch ahnen, dass sich nach nur 33 Tagen die Kardinäle erneut versammeln würden, um sich wieder auf Papst-Suche zu begeben. Nachdem Johannes Paul I. im September überraschend gestorben war, begann im Oktober ein neues Konklave. Die Favoriten waren aber dieselben geblieben. Dieses Mal brachte sich allerdings Benelli von Anfang an selbst ins Spiel, um einen Gegenpol zum Ultrakonservativen Siri zu schaffen. Doch noch vor Beginn des Konklave sanken Siris Chancen auf den Stuhl Petri.

In einem Interview hatte Siri sich selbst ein Bein gestellt. Darin hatte er sich über den soeben verstorbenen "lächelnden Papst" und dessen Führungsstil negativ geäußert. Siri stritt in der Folge ab, das Interview je gegeben zu haben. Doch sein verzweifelter Versuch, zu retten, was noch zu retten war, schlug fehl. Er hatte an Ansehen eingebüßt und war für viele der Kardinäle unwählbar geworden.

Schließlich kam es bei der Wahl zu einer Pattsituation zwischen Siri und Benelli, aus der es keinen Ausweg zu geben schien. Beide konnten ihren Stimmenanteil in den weiteren Wahlgängen nicht mehr steigern.

Unter der maßgeblichen Beteiligung von Kardinal König wurde dann im fünften Wahlgang der 58-jährige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla ins Spiel gebracht. Im achten Wahlgang stand fest, dass es erstmals seit 455 Jahren keinen italienischen Papst geben würde. Und das, obwohl anfangs die Grundtendenz festzustehen schien, dass ein Italiener um die 70 Jahre Papst hätte werden sollen. So bestätigte der Überraschungskandidat aus Polen, dass Papst-Nachfolger in den seltensten Fällen vorhersagbar sind.

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