Rumänien: Physiklehrer weckt Stadt aus Dornröschenschlaf

Hermannstadt, am Rande der Karpaten, putzt sich für seine große Rolle als Kulturhauptstadt 2007 heraus.

Hermannstadt. Lärmende Baufahrzeuge, dröhnende Presslufthämmer und Baugerüste, wohin man schaut: Im historischen Stadtkern von Sibiu (Hermannstadt) wird gebaut, gepflastert, renoviert. Die 180.000-Einwohner-Stadt putzt sich heraus. Hermannstadt ist im Jahr 2007 europäische Kulturhauptstadt. Bis dahin gilt es, die pittoreske, aber desolate Altstadt zu sanieren.

Hermannstadt erlebt derzeit einen Aufschwung, von dem das restliche Rumänien nur träumen kann. Die Arbeitslosenzahlen sind mit rund fünf Prozent nur halb so hoch wie im landesweiten Durchschnitt. Ausländische Investoren lassen sich bevorzugt in der Stadt am Rande der Karpaten nieder.

Für Hermannstadt sprechen verschiedene Gründe, so die Investoren. Einer von ihnen ist Klaus Johannis, der deutschsprachige Bürgermeister der Stadt. Als völlig unbeschriebenes Blatt gewann der Vertreter der deutschen Minderheit - er ist Siebenbürgener Sachse - vor fünf Jahren die Kommunalwahlen. Und das, obwohl seine Volksgruppe nur ein Prozent der Bevölkerung ausmacht.

Die große Auswanderungswelle Anfang der 90er Jahre hinterließ auch in Hermannstadt tiefe Spuren, von denen sich die deutsche Minderheit langsam erholt. Nach dem Sturz Ceausescus verließen mehr als die Hälfte aller Rumänendeutschen das Land. Lediglich 60.000 blieben. "Viele hatten den Eindruck, dass es jetzt zu Ende geht; dass es bald den letzten Deutschen in Rumänien geben wird", so der Bürgermeister.

Vor fünf Jahren wurde Johannis von vielen aus Protest gewählt. Doch mittlerweile hat der tatkräftige 46-Jährige bewiesen, dass seine Wahl berechtigt war. 2004 wurde der frühere Physik-Lehrer mit knapp 90 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt und ist nun weit über die Stadt hinaus bekannt. Mit seinem Einzug ins Rathaus begann auch die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte von Hermannstadt. Unbürokratisch bietet Joannis ausländischen Firmen Hilfe, damit sie sich im Dickicht der rumänischen Bürokratie zurechtfinden. So hat sich etwa der österreichische Ziegelgigant Wienerberger sowie Dachziegelhersteller Bramac in Hermannstadt angesiedelt.

Ein schlagendes Argument - zumindest für deutsche und österreichische Investoren - ist die Verbreitung der deutschen Sprache in Siebenbürgen - obwohl die wenigsten der Schüler an den zehn deutschen Gymnasien der Stadt tatsächlich Rumänendeutsche sind. Mehr als 95 Prozent sind Rumänen, die sich durch profunde Deutschkenntnisse die Chancen am Arbeitsmarkt verbessern wollen. Auch Brauchtumsvereine der deutschen Minderheit sowie Musik- oder Tanzgruppen sind bei den Rumänen beliebt. Gerade in dieser Öffnung dürfte die Zukunft der Rumänendeutschen liegen.

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