Hilfe für das vergessene Volk

Roma. Mit einer eigenen Schule für Roma-Kinder soll in der Ostslowakei die Spirale der Hoffnungslosigkeit durchbrochen werden.

VELKÁ LOMNICA. Das Städtchen am Fuße der Hohen Tatra ist zwischen saftigen Wiesen und bewaldeten Hängen idyllisch gelegen. Ideal zum Wandern und Skifahren, lockt die Tourismusbroschüre der 4000 Einwohner Gemeinde Velká Lomnica im Nordosten der Slowakei. Doch in keinem Prospekt findet sich das: Zwei Kilometer abseits des Ortes hören die asphaltierten Straßen auf. Dort fährt kein Auto hin, dort hält kein öffentlicher Bus. Dort wohnen die Roma.

Ihre Holzhütten stehen zwischen Müllbergen. Löcherige Wellblechdächer halten kaum die Witterung fern. Die unbefestigten Wege werden bei Regen zu Schlammpisten. Beißender Rauch erfüllt die Luft. In der Roma-Siedlung leben rund 1200 Menschen - 30 Prozent der Einwohner von Velká Lomnica. Scharen von Kindern tummeln sich rund um eine niedrige Baracke am Eingang zur Siedlung, der Schule für die Roma.

Der Direktor der Grundschule von Velká Lomnica, Ladislav Husár, ließ vor vier Jahren die Schulcontainer aufstellen. Sein Gedanke war nicht, die Roma-Kinder von den Kindern der Slowaken zu trennen. Ihm ging es darum, den Anteil der Roma-Kinder in der Schule zu erhöhen. Früher waren viele der Sechs- und Siebenjährigen nicht im Unterricht erschienen. "Viele Kinder haben keine Schuhe und konnten so nicht zu Fuß zur zwei Kilometer entfernten Dorfschule gehen", berichtet Husár. Deswegen wurde der Unterricht kurzerhand in die Roma-Siedlung verlegt.

Zuerst lernen die Kinder die Amtssprache. In ihren Familien sprechen sie oft nur Romanes. Ohne Slowakisch zu beherrschen, ist es aber unmöglich, jemals das Ghetto zu verlassen. Husár hofft, durch Bildung die Spirale der Hoffnungslosigkeit durchbrechen zu können.

Geld für die Schule kommt auch von der "Caritas" aus Österreich. "Keiner kümmert sich um uns. Nur der Direktor hört uns zu", sagt Tomas aufgebracht. Der fünffache Familienvater hat acht Jahre lange für eine Gasfirma gearbeitet, dann wurde er entlassen. Jetzt lebt er von Sozialhilfe. "Wir wollen Arbeit. Wir wollen behandelt werden wie alle anderen."

In der Slowakei leben rund 500.000 Roma, fast zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Volksgruppe ist zwar eine anerkannte Minderheit, kämpft aber nach wie vor gegen eine ausweglose soziale Situation. Unternehmen entlassen in wirtschaftlich schweren Zeiten als erste die Roma.

Die Arbeitslosenrate beträgt fast 100 Prozent. Deswegen ist für viele die staatliche Sozialhilfe die einzige Einnahmequelle. Doch als die Regierung vor einem Jahr staatliche Gelder kürzte, brachte das das Fass zum Überlaufen. Aufgebrachte Roma plünderten Lebensmittelgeschäfte, es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Mittlerweile hat sich der Zorn gelegt, doch die sozialen Probleme sind geblieben. In der Roma-Siedlung von Velká Lomnica gibt es keine sanitären Einrichtungen. Wasser holen die Menschen von zwei zentralen Wasserleitungen in Kübeln.

In der Dorfschule haben die Roma-Kinder gezeichnet, was sie einmal werden wollen: Feuerwehrmann, Köchin, Schmied. Die Kinderzeichnungen zeigen keine Wellblechdächer, keine schlammigen Straßen. Die Kinder träumen von asphaltierten Straßen, grünen Wiesen und idyllischen Dörfern.

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