Der Chef der Wahlkommission wurde zum wichtigsten Vollstrecker des "weichen Putsches" der alten Regimekräfte. Wäre es nach der Demokratiebewegung gegangen, hätte Farouk Sultan nach Mubaraks Sturz aus dem Amt fliegen müssen.
Wochenlang stand er im Zentrum des politischen Orkans. Seine Miene ist undurchdringlich, seine Augen sind stechend. Sonntag trat Farouk Sultan schließlich vor die bis zum Bersten gespannte Nation und erklärte nach einer Stunde gewundener Rede Muslimbruder Mohammed Mursi zum Sieger der Präsidentenwahl. Angesichts der eskalierenden Unruhe im Land schreckte der Mubarak-Zögling damit sechs Tage vor seiner Pensionierung in seiner Doppelrolle als Chef des Verfassungsgerichts und Vorsitzender der Obersten Wahlkommission am Ende doch davor zurück, Ahmed Shafik ins Amt zu hieven und damit Ägyptens Revolution komplett zu annullieren.
Wäre es nach der Demokratiebewegung gegangen, hätte Farouk Sultan schon Tage nach Mubaraks Sturz aus seinem Amt fliegen müssen. Stattdessen wurde er zum wichtigsten Vollstrecker des „weichen Staatsstreichs“ der alten Regimekräfte. 2009 von Hosni Mubarak wegen seiner Linientreue auf den Chefsessel des Obersten Gerichts gehievt, löste die Berufung bereits damals kritische Kommentare aus. 1941 im oberägyptischen Sohag geboren war Farouks juristische Karriere bis dahin eher bescheiden. Zunächst urteilte er an Militär- und Sondergerichten. Dann wurde er Chef beim Amtsgericht von Südkairo, bis er vor drei Jahren den Sprung an die Spitze des Verfassungsgerichts schaffte. Unabhängigkeit der Justiz war für ihn nie ein Ideal. Von Verfassungsrecht hat er nur wenig Ahnung. Stattdessen galt er als Mann mit engsten Beziehungen zu Mubaraks gefürchteter Staatssicherheit.
Sein Nachfolger an der Spitze des Verfassungsgerichts ist bereits ernannt, der bisherige Vize Maher El-Beheiry, der seit 1991 dort arbeitet. Er gilt als politisch unabhängig und erheblich kompetenter.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2012)