Formel 1: Der fatale Traum von Maria de Villota

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Vor dem Grand Prix in Silverstone herrscht im Fahrerlager nach dem schweren Unfall der spanischen Testfahrerin immer noch tiefe Betroffenheit.

Silverstone. Immer wieder ist sie diesen Moment in Gedanken durchgegangen, drei Monate lang, voller Vorfreude. Sie hat Kraft trainiert, und den Nackenmuskel. Sie hat die To-do-Checklisten studiert, seitenweise. Sie hat ihre Teamkollegen gefragt und gefragt. Drei Kilometer wurden es, drei Kilometer, auf die sie seit 25 Jahren hingearbeitet hatte, drei Kilometer im vielleicht schlechtesten Auto der Formel 1. Und jetzt liegt Maria de Villota (32) im Spital und die Ärzte kämpfen um ihr Leben. Den Kampf um ihr rechtes Auge haben sie bereits aufgegeben, und es wird schwierig sein, nach all den komplizierten Schädelbruchverletzungen ihr Gesicht wieder zu rekonstruieren.

Maria de Villota ist diese Woche endlich berühmt geworden, so wie es sich ihr Vater immer gewünscht hat. Selbst aus der Formel 1 mit Häme verstoßen, nach 15 Versuchen, in denen er sich nur zweimal hat qualifizieren können, hat er alle seine Energie und sein Geld in die Karriere der blonden Tochter gesteckt. Maria, „ist eine ganz Leiwande“, wie es ihr Wegbegleiter Alexander Wurz erklärt, der mit ihr gemeinsam auf Mallorca trainiert hat. Frau Villota ist eine intelligente Person, sie hat Sportwissenschaften studiert und hat Interviews gegeben, die Tiefe, Größe und Weitsicht haben erkennen lassen.

Und doch bleibt: Für ihren Traum von der Formel 1 hat sie sich, und das sei ohne Zynismus gesagt, zum Kasperl gemacht. Wer über ein Jahrzehnt in viert-, fünft-, und sechstklassigen Serien durch Europa tingelt und dabei nie besser als vielleicht Siebenter wird, der hat in der Formel 1 nichts verloren. Doch im Ecclestone-Zirkus, bei dem in dieser verrückten Saison neun Teams um Podestplätze kämpfen können und die restlichen drei Rennen für Rennen ums Überleben kämpfen, war sie willkommen: bei Marussia, dem erfolglosesten Rennstall der Gegenwart. 2010 von Milliardär Richard Branson unter dem Namen „Virgin“ gegründet, mittlerweile an russische Investoren verkauft. Abgesehen vom deutschen Top-Piloten Timo Glock ist dieses Team wie eine Landesligamannschaft, die durch einen Irrtum der Geschichte in der Champions League mitspielen soll.

Maria de Villota hat auf dem Rückweg von Testfahrten unter mysteriösen Umständen die Kontrolle über ihr Auto verloren. Vor 14 Tagen in Valencia ist Marussia mit nur einem Auto am Start gewesen. Stammpilot Glock hatte Durchfall, Villota wurde von der FIA nicht akzeptiert: zu schlecht, zu wenig Erfahrung, keine Superlizenz. Jetzt meldet ihr Karrierekilometerstand: drei Kilometer. Karriere beendet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2012)

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