Zeitverzögerte Spontaneität

Schlagfertigkeit ist das, was einem in der Regel erst auf dem Heimweg einfällt. Die eine Aussage, mit der man vorher hätte glänzen können.

Schlagfertigkeit ist das, was einem in der Regel erst auf dem Heimweg einfällt. Die eine Aussage, mit der man vorher hätte glänzen können. Hätte, denn die übliche Reaktion oszilliert meist irgendwo zwischen verunsichertem Stammeln und Sätzen aus der Kategorie, die noch Tage später die Röte des Schames ins Gesicht steigen lassen. Ja, es ist nicht einfach, innerhalb von Sekundenbruchteilen aus der Unzahl von Antwortmöglichkeiten die eine, die passende herauszufinden und mit der Intensität einer verbalen Ejakulation nach außen zu schleudern. Erst Minuten oder Stunden später, zu spät jedenfalls, um sie noch anbringen zu können, schält sich vielleicht die passende Meldung aus den Ganglien. Allein, mit dieser zeitverzögerten Spontaneität ist das Entertainmentpotenzial dann doch eher enden wollend.

Und doch gibt es sie, die Momente, in denen alles passt – in denen man spontan genau das sagt, wofür Drehbuchschreiber oft Wochen harter Arbeit brauchen. Das Problem dabei: Vor lauter begeisterter Überraschung über sich selbst ist man nur noch damit beschäftigt, still in sich hineinzukichern – und bedacht darauf, dem Gegenüber nicht das Gefühl zu geben, dass man gerade über seinen eigenen Witz lacht. Darum ist man wiederum nicht fähig, den kurzen Moment der Bewunderung, die das Gegenüber angesichts der treffend pointierten Reaktion hegt, in irgendeiner Form weiterzutreiben. Und sich vielleicht als smarten Entertainer zu geben, der im Windschatten der ersten Pointe ein Feuerwerk an Bonmots startet.

Welch Gaudium hätte das werden können, wie sehr wäre man in diesem Moment der humoristische Nabel der Welt gewesen. Doch es bleibt beim Konjunktiv. Und so stapft man heimwärts, mit einem Gefühl der Ambivalenz – dem Amüsement über die gute Pointe und der Enttäuschung, dass sie noch nicht zum richtigen Zeitpunkt abschussbereit war. Wobei – immer noch besser als ein Iocus praecox ... aber das ist wieder eine andere Geschichte.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.