Zwangsanleihen für Reiche sollen klamme Staaten retten

(c) Reuters (THOMAS PETER)
  • Drucken

Das größte deutsche Wirtschaftsinstitut, DIW, will die Eurokrise mit einer spektakulären Maßnahme lösen. Wie in Kriegszeiten sollen Vermögende mit Zwangsanleihen und Sonderabgaben zur Kassa gerufen werden.

Berlin. Woher soll Europa das Geld nehmen, um seine ausufernden Staatsschulden zurückzuzahlen? Die Antwort des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist einfach: von denen, die noch genug davon haben – den Reichen. In einer Kurzstudie schlagen die Ökonomen vor, niedrige oder gar nicht verzinste Zwangsanleihen und befristete Sonderabgaben für die Wohlhabenden einzuführen, um damit die Staatshaushalte zu sanieren. Von linken Gewerkschaftern oder den Globalisierungsgegnern von Attac hört man solche Forderungen immer wieder.

Spektakulär ist, dass nun auch das größte deutsche Wirtschaftsinstitut, das die Regierung in vielen Fragen berät, in diesen Chor einstimmt. Damit bahnt sich an, was viele Experten prophezeit haben: Früher oder später müssen die Privatvermögen zur Lösung der Schuldenkrise herhalten. Prompt kommt vorsichtige Zustimmung aus dem Finanzministerium – wenn auch nur für Länder Südeuropas mit einem „schwierigen Verhältnis zwischen dem Steueraufkommen und dem Privatvermögen“.

Nicht aber für Deutschland – und das wohl schon aus rechtlichen Gründen. Bereits 1984 scheiterte ein Versuch, die Staatskassa mit Zwangsanleihen zu füllen, an Karlsruhe. Die Verfassungsrichter erklärten das Gesetz für nichtig, weil Sonderabgaben nicht für die Finanzierung „allgemeiner Staatsaufgaben“ verwendet werden dürfen. Mit anderen Worten: Was im Kriegsfall legitim sein mag, ist in Friedenszeiten tabu.

Studienautor Stefan Bach aber rechnet vor: Mit den Erlösen von zehn Prozent aller Vermögen über 250.000 Euro könne auch die deutsche Schuldenquote ganze neun Prozentpunkte in Richtung Maastricht-Grenze gedrückt werden – obwohl die Anleihen streng genommen nur neue Schulden sind.

Doch das macht Bach nichts aus, weil er offenbar ohnehin nicht von einer Rückzahlung ausgeht: Wenn der Staat bei seiner Konsolidierung nicht weiterkommt, soll er eben die Anleihe nachträglich in eine Abgabe umwandeln. Das spreche „allen rechtsstaatlichen Prinzipien Hohn“, ärgert sich CSU-Wirtschaftssprecher Hans Michelbach: „Eine solche kalte Enteignung lässt sicher sozialistischen Überzeugungstätern das Herz höher schlagen, jedem anderen kann es eigentlich nur gruseln.“

Stimulierendes Schröpfen

Die naheliegende Alternative, Staatsvermögen zu privatisieren, wischt das DIW vom Tisch: Es sei ja meist „in Infrastruktur gebunden“. Gebunden, und das meist weit produktiver, ist freilich auch das Betriebs- und Immobilienvermögen, das genauso wie Geldvermögen teilenteignet werden müsste. Das Risiko, dies könne „die wirtschaftliche Entwicklung belasten“, deutet Bach nur beiläufig an. Er erwartet nämlich „stimulierende Effekte auf das Arbeits- und Leistungsangebot“ der betroffenen Wirtschaftssubjekte, die versuchen werden, „Vermögens- und Einkommenseffekte zu kompensieren“. Sprich: Je mehr man den Reichen wegnimmt, desto mehr werden sie arbeiten, um wieder zu Geld zu kommen.

Unter dem autokratischen Institutsvorstand Klaus Zimmermann hätten so unausgegorene Visionen vermutlich nicht das Haus verlassen. Doch nach seinem nicht ganz freiwilligen Rücktritt vor einem Jahr treibt das DIW führerlos herum – und rückt dabei nach links: Sowohl der Übergangsleiter Gert Wagner als auch der mit der Nachfolgersuche betraute Bert Rürup sind SPD-Mitglieder. Die Idee mit den Zwangsanleihen geht freilich auch den Sozialdemokraten im Bundestag zu weit: Sie äußern verfassungsrechtliche Bedenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2012)

Mehr erfahren

Kommentare

Enteignen wir die Reichen!

Deutsche Ökonomen rufen den Staat dazu auf, doch mal bei Vermögenden anzuklopfen.
EuroKrise Zwangsanleihe fuer Reiche
Home

Euro-Krise: Zwangsanleihe für Reiche?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, zur Haushaltssanierung stärker Bürger mit hohen Einkommen heranzuziehen. Deutschland könnte durch Zwangsanleihen 230 Milliarden Euro eintreiben.
Zwangsabgabe fuer Reiche SPoe
Home

SPÖ-Abgeordneter will "Fairness-Anleihen" für Reiche

Das deutsche Forschungsinstitut DIW hat eine Zwangsanleihe für Reiche vorgeschlagen. Jörg Leichtfried spricht aber lieber von "Fairness-Anleihen".
Kommentare

Enteignen wir die Reichen!

Deutsche Ökonomen rufen den Staat dazu auf, doch mal bei Vermögenden anzuklopfen.
EuroKrise Zwangsanleihe fuer Reiche
Home

Euro-Krise: Zwangsanleihe für Reiche?

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, zur Haushaltssanierung stärker Bürger mit hohen Einkommen heranzuziehen. Deutschland könnte durch Zwangsanleihen 230 Milliarden Euro eintreiben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.