Korruptionsverdacht gegen Strasser erhärtet sich

Korruptionsverdacht gegen Strasser erhaertet
Korruptionsverdacht gegen Strasser erhaertet(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der Ex-Minister prozessiert in der Lobbying-Affäre gegen den "Kurier". Vor Gericht werden neue belastende Protokolle verlesen.

Der ehemaligen EU-Parlamentarier und VP-Innenminister Ernst Strasser gerät weiter unter Druck. Nun hat sogar ein von ihm selbst betriebenes medienrechtliches Verfahren gegen den "Kurier" den Korruptionsverdacht gegen den Ex-Politiker erhärtet. Strasser hatte gegen insgesamt 18 in der Print- und der Online-Ausgabe der Tageszeitung erschienene Artikel geklagt. Am Freitag wurde er im Wiener Straflandesgericht mit bisher nicht öffentlich bekanntem Beweismaterial konfrontiert. Es soll weit über das Video hinausgeht, das als Lobbyisten getarnte britische Enthüllungsjournalisten bei einem Treffen mit Strasser am 11. November 2010 aufgenommen hatten.

Damals hatten die beiden "Sunday Times"-Reporter Strasser bei einem Abendessen ein jährliches Honorar von 100.000 Euro in Aussicht gestellt, sollte er Gesetzesänderungen im EU-Parlament einbringen. Den mitgeschnittenen Clip veröffentlichten sie, Strasser musste als VP-Delegationsleiter im EU-Parlament zurücktreten. Der Vorwurf der Bestechlichkeit wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft untersucht. Die Ermittlungen sind mittlerweile abgeschlossen, der Vorhabensbericht der zuständigen Staatsanwältin liegt bei der Oberstaatsanwaltschaft.

Richter verliest Gesprächsprotokoll

Bei den Verhandlungen am Freitag verlas Richter Stefan Apostol zunächst das Originaltrankskript von besagtem Abendessen. Vor allem aber hielt er dem Ex-Innenminister das Protokoll eines Gesprächs vor, das Strasser Anfang März 2011 mit den zwei Journalisten in Brüssel geführt hatte, die ihn ersucht hatten, für einen ihrer vermeintlichen Klienten die Fristverkürzung eines Gesetzesentwurfs im Wirtschaftsausschuss des Parlaments zu erreichen.

Er habe "die Information, dass der Entwurf vom Bericht, den ich geschickt habe, durchgegangen ist", hält Strasser laut Protokoll zunächst fest. Die Frist sei nicht - wie erwünscht - auf neun, aber doch auf zwölf Monate herabgesetzt worden, was Strasser als "sehr guten Kompromiss" bezeichnet: "Ich glaube, wir haben die Decke erreicht." Falls der Klient der Briten damit aber nicht einverstanden sei, "müssen wir es überdenken".

Im weiteren Gesprächsverlauf gibt Strasser an, den Änderungsvorschlag nicht nur im Büro von Othmar Karas, des nunmehrigen Vizepräsidenten des Europaparlaments und VP-Delegationsleiters, abgegeben zu haben. Er habe diesen auch dem zuständigen und für die Entscheidungsfindung im Ausschuss maßgeblichen Rapporteur übergeben: "Ja, sie haben es gesehen. [...] Ich bin zum Österreicher (offenbar Karas, Anm.), aber der Österreicher ist damit zum Spanier (der aus Spanien stammende Berichterstatter, Anm.) gegangen. Und ich auch."

Strasser: "Keine Zeit, um zur Polizei zu gehen"

In seiner Zeugenaussage bestritt Strasser ein strafbares Verhalten. Er habe den von vermeintlichen Lobbyisten an ihn herangetragenen Änderungswunsch seiner Fraktionskollegen Karas und Hella Ranner zur Kenntnis gebracht und "gefragt, ob das vernünftig ist oder ein Unsinn ist." Hätte er tatsächlich etwas erreichen wollen, "hätte ich es mit dem Rapporteur, einem Schattenrapporteur oder einem Ausschussmitglied besprechen müssen". Das habe er nicht getan.

Der Ex-Innenminister behauptete weiters, das Video-Material, das sein erstes Gespräch mit den vermeintlichen britischen Lobbyisten dokumentiert, sei "sichtlich manipuliert" und "gefälscht". Ein Gutachten werde dies beweisen. Er habe sich mit den Briten getroffen, "weil ich wusste, dass diese Personen nicht diejenigen sind, für die sie sich ausgeben". Seit Juli 2010 sei ihm bekanntgewesen, dass es die Firma, die sie ihm genannt hatten, nicht gibt. Er habe "herausfinden wollen, was die wahren Hintergründe sind", bemerkte Strasser auf die Frage, warum er dann nicht zur Polizei gegangen sei. Er habe vermutet, dass die Männer "einem britischen oder amerikanischen Dienst angehören, der in Wirtschaft oder sonstigen Dingen Ausforschungen macht". Er habe versucht, ihrer habhaft zu werden, "um sie zu überführen"

Im Dezember 2010 hätten ihm die zwei einen Vertrag geschickt, den er zwei bis dreimal überprüfen habe lassen, schilderte Strasser weiter. Seinem Rechtsberater sei aufgefallen, dass eine dort angegebene Firmennummer nicht stimmen könne. Da habe er "den Beweis gehabt", dass er bestochen werden sollte, sagte Strasser.

"Und warum gehen Sie jetzt nicht zur Polizei?", wunderte sich Richter Apostol. "Weil ich keine Zeit gehabt habe", erwiderte Strasser. Er sei damals "ständig unterwegs gewesen" und habe "keine Zeit gehabt, mich mit meinem Anwalt zu besprechen". Die vermeintlichen Journalisten seien seiner Anzeige zuvor gekommen, indem sie am 10. März 2011 die Videos öffentlich machten: "Hätten sie das 14 Tage später gemacht, wären wir jetzt nicht hier."

Die Verhandlung wurde vertagt. Wann sie fortgesetzt wird, ist noch unklar.

(APA)

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