Da capo: Gibt oder gab es Leben auf dem Mars?

Artist's drawing of landing of MSL Curiousity rover on Mars
Artist's drawing of landing of MSL Curiousity rover on MarsREUTERS
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Die Nasa-Mission „Curiosity" trat heute Früh in die entscheidende Phase des Anflugs zum Nachbarn. Wenn sie gelungen ist, soll das fahrende Labor nach allen erdenklichen Lebensspuren suchen.

Jetzt sind sie schon einige Zeit vorbei, die „sieben Minuten Terror", mit denen die Nasa ihre aktuelle Marsmission dramatisierte und die über Wohl und Wehe des Unternehmens entschieden. Sie begannen heute Früh um 7.31 Uhr MEZ, und wenn alles gut gegangen ist, stehen die Bilder, mit denen der Rover „Curiosity" seine Landung auf dem Nachbarn dokumentiert hat, schon im Netz; dann ist der Nasa neuerlich eine technische Meisterleistung gelungen. Ob sie auch wissenschaftliche Erträge bringt - vor allem die erhofften: Spuren von Leben -, steht dahin.

Aber erst musste der Terror durchgestanden bzw. durchgebremst sein. Die Trägerrakete, die letzten November auf die 560 Millionen Kilometer lange Reise ging, trat mit 21.250 Kilometer pro Stunde in die Atmosphäre des Mars ein, und für die folgenden sieben Minuten sah der Plan so aus: Erst bremst nur die Luft - der Hitzeschild der Kapsel ist auf 1600 Grad Celsius ausgelegt -, dann entfaltet sich ein Riesenfallschirm, er bremst auf 300 km/h. Dann werden er und der Hitzeschild abgeworfen, nun übernimmt der „sky crane" - ein Gehäuse, in dem der Rover geschützt ist - mit Radar und Bremsraketen, 20 Meter über dem Boden kommt er zum Stillstand und seilt „Curiosity" ab. Das alles ist nötig, weil dieses fahrbare Labor groß und schwer ist - wie ein VW Golf, fast eine Tonne -, so eine Last war noch nie unterwegs, sie konnte nicht auf Luftpolstern wie frühere Marsrover landen. „Das Ganze sieht ein bisschen verrückt aus", erklärte der für die Landung verantwortliche Nasa-Mitarbeiter Adam Steltzner, „aber ich verspreche, dass es die am wenigsten verrückte aller möglichen Methoden ist."

Starker Sturm am Landeort?

Dann darf nur in der autonomen Steuerung nichts passieren - von der Erde aus kann in den sieben Minuten nicht eingegriffen werden, Funksignale brauchen über 13 Minuten zum Mars -, und das Wetter muss auch noch passen. Vor einer Woche zog an dem geplanten Landeort ein starker Sturm auf, er hat sich verzogen, und wenn kein anderer gekommen ist - dann ist Curiosity dort, am Gale-Krater am Mars-Äquator, aus dessen Mitte der 5,5 Kilometer hohe Mount Sharp ragt.

Dann ist es vorbei mit dem „Terror", der so gut zum blutroten Nachbarn passt, der in vielen Kulturen für Streit und Unglück steht, die Griechen erhoben ihn als Ares zum Kriegsgott - in der Ilias taucht er gar mit Gefolge auf, den Marsmonden Phobos und Daimos, Angst und Schrecken -, die Römer tauften ihn um. So viel zur lebensfeindlichen Seite des Mars, er hat noch eine zweite, sie suggeriert das exakte Gegenteil: Leben bzw. eine seiner Voraussetzungen, Wasser, flüssiges Wasser, es beflügelt seit 1872 die Fantasie. Damals sichtete der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli auf dem Mars ein Netz feiner Linien, er nannte sie „canali", Rillen.

In der Übersetzung wurden „Kanäle" daraus, die musste jemand gegraben haben, jemand mit Intelligenz. Das Leben auf dem Mars war in der Welt, erst in der reinen Fiktion - Ende des 19. Jahrhunderts schrieb H. G. Wells den „Krieg der Welten", in dem Marsianer eine Invasion der Erde starten -, dann in einem Zwischenreich - 1938 löste Orson Welles mit einer Radiofassung des „Kriegs der Welten" eine Massenpanik in den USA aus -, schließlich in der wissenschaftlich angereicherten Science-Fiction, wie sie die Nasa betreibt. Zwar wäre auf dem gegenwärtigen Mars - die Temperatur schwankt zwischen minus 130 und plus 27 Grad, die extrem dünne Atmosphäre schützt nicht vor lebenszerstörender UV-Strahlung - Leben allenfalls tief im Gestein möglich. Aber früher, auf dem ganz jungen Mars, könnte alles anders gewesen sein, und noch heute hängt etwas in der Marsluft, das geogen entstehen kann, aber auch biogen, es wird von manchen Bakterien erzeugt: Methan.

Flops: Vom Marsmeteor bis zum Flussufer

2009 wurde es nachgewiesen, es war der bisher letzte Hype, allerdings gab sich die Nasa kleinlauter als beim Marsmeteor ALH84001, 1984 wurde er in der Antarktis gefunden, 1996 entdeckte die Nasa darin Spuren - mechanische - von Bakterien. Bakteriologen schüttelten die Köpfe, so kleine Bakterien gibt es nicht. Dann fand man immer wieder Hinweise auf Wasser, morphologische - alte „Flussufer" oder „Meeresküsten", die ihre Form aber wohl von aufgetautem CO2 haben - oder chemische, Gesteine, die zur Entstehung Wasser brauchen. Sie erwiesen sich alle als Flops: Wenn es flüssiges Wasser gibt oder gegeben hat, ist oder war es extrem versalzen.
Trotzdem wird „Curiosity" auch danach suchen - im Mount Sharp, der so wenig verwittert ist, als wäre er aus Beton -, nach Methan natürlich auch, und nach Kohlenwasserstoffen. Sofern der Rover nur den „Terror" überlebt hat. Falls nicht, könnte 2018 der nächste Versuch starten, aber dann wird selbst der Nasa das ewige Marsleben zu fad (Science, 337, S. 511). John Grunsfeld, der neue Forschungschef, hat Mitarbeiter und Öffentlichkeit um Ideen gebeten.

("Die Presse", Printausgabe, 06.08.2012)

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