Syrien: Gefechte mit jordanischen Grenztruppen

Syrische Rebellen im Kampf gegen Assads Truppen.
Syrische Rebellen im Kampf gegen Assads Truppen.REUTERS
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Die tage von Syriens Staatschef Assad scheinen gezählt. US-Außenministerin Clinton berät die Lage in Istanbul. Die Rebellen nehmen unterdessen Geiseln.

US-Außenministerin Hillary Clinton sucht in Istanbul heute nach neuen Wegen im Kampf gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Clinton werde darüber mit syrischen Oppositionellen sowie mit dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und Präsident Abdullah Gül sprechen, teilte das US-Außenministerium am Freitag mit. Die USA versorgen die Rebellen unter anderem mit Satellitenbildern und Kommunikationstechnik. An der jordanisch-syrischen Grenze kam es am späten Freitag unterdessen zu Gefechten.

Nach Angaben aus jordanischen Sicherheitskreisen eröffneten syrische Soldaten auf eine Gruppe von etwa 500 Flüchtlingen das Feuer. Die jordanischen Grenzwachen schossen zurück, da die Flüchtlinge schon auf jordanischem Boden waren. Es habe einen etwa 30 Minuten dauernden heftigen Schusswechsel gegeben. Auf jordanischer Seite sei niemand verletzt worden.

Offiziere verlassen Assads Truppen

Unter den Flüchtlingen waren laut syrischen Aktivisten Dutzende hochrangige Offiziere der Assad-Armee. Die jordanischen Sicherheitskreise konnten nichts über die Identität der Flüchtlinge sagen. Einige der Ankommenden hätten jedoch eine Vorzugsbehandlung erhalten. Sie seien an einen geheimen Ort gebracht worden, an dem syrische Deserteure beherbergt würden.

Die Tage von Assad als syrischer Machthaber sind nach Einschätzung des deutschen Bundesnachrichtendienstes möglicherweise schon bald gezählt. "Es gibt viele Anhaltspunkte dafür, dass die Endphase des Regimes begonnen hat", sagte BND-Chef Gerhard Schindler der Zeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe). Assads Armee habe rund 50.000 ihrer einst 320.000 Soldaten verloren. Darunter seien viele Verwundete, Deserteure und 2.000 bis 3.000 Überläufer zur militanten Opposition, die nach BND-Erkenntnissen aus rund 20.000 Kämpfern bestehe. "Die Erosion des Militärs hält an." Die kleinen, regional verankerten und äußerst wendigen Rebellengruppen zermürbten mit ihrer Art von Guerillataktik die Armee zunehmend. Der Aufstand wird dem BND-Chef zufolge aber keineswegs von Islamisten dominiert.

Nachfolger für UN-Friedensmission

Die Vereinten Nationen suchen indes fieberhaft nach einem Nachfolger für ihren gescheiterten Syriengesandten Kofi Annan. Als Favorit galt am Freitag der Krisenexperte Lakhdar Brahimi. Der 78-jährige ehemalige algerische Außenminister habe "gute Chancen", zum neuen Syriengesandten der UN und der Arabischen Liga ernannt zu werden, sagte ein westlicher Diplomat in Beirut. Ähnliches war auch von Diplomaten in New York zu hören. Brahimi hat Erfahrungen als UN-Sondergesandter unter anderem in Afghanistan und im Irak.

In Aleppo forderte der Krieg am Freitag zahlreiche Opfer in der Zivilbevölkerung. Eine Granate tötete vor einer Bäckerei mindestens elf Menschen. Die Menschen hätten sich wenige Stunden vor dem Fastenbrechen im Ramadan um Brot angestellt, sagte der Aktivist Bassam al-Halebi. Ein weiteres Geschoß traf die mittelalterliche Zitadelle im Zentrum der umkämpften nordsyrischen Großstadt. Das Eingangstor sei beschädigt worden, teilte der oppositionelle Syrische Nationalrat mit.

Von unabhängiger Seite konnten diese Berichte nicht bestätigt werden. Wer die Granaten abfeuerte, war unklar. Zwar verfügen hauptsächlich die Regierungstruppen über Artillerie, doch haben auch die Aufständischen solche Waffen erbeutet und eingesetzt.

Rebellen nehmen Geiseln

Die Aufständischen in Syrien haben nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten drei Journalisten eines staatlichen syrischen Fernsehsenders gefangengenommen.

Eine Gruppe syrischer Rebellen will indes mit der Geiselhaft von elf Libanesen eine Entschuldigung des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah für seine mutmaßliche Unterstützung des Regimes in Damaskus erzwingen. In seinen Reden sei Nasrallah grausam gegenüber der syrischen Revolution und dem syrischen Volk gewesen, sagte der Rebellen-Sprecher Samir Haj Omar am Freitag in der nördlichen Stadt Asas. Ohne Entschuldigung Nasrallahs würden die im Mai verschleppten schiitischen Pilger nicht freikommen.

Nach Angaben der örtlichen Koordinationskomitees wurden am Freitag in Syrien 180 Menschen getötet, davon 75 in Aleppo. Seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime vor 17 Monaten kamen nach UN-Schätzungen etwa 17.000 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Zivilisten. Die Zahl der Vertriebenen liegt laut UN bei 1,5 Millionen Syrern.

Annan hatte wegen der mangelnden Friedensbereitschaft der Konfliktparteien und der Uneinigkeit der Vetomächte im Sicherheitsrat vor einer Woche das Handtuch geworfen. "Wir wünschen uns einen starken Nachfolger für Kofi Annan", sagte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. Die exzessive Gewalt in Syrien erfordere "dringend den Einstieg in einen politischen Prozess".

Clinton will in Istanbul von syrischen Aktivisten "Erfahrungen aus erster Hand" erhalten. Sie werde Frauen, Studenten, Blogger treffen, aber keine bewaffneten Kämpfer, verlautete aus dem US-Außenamt. Clinton wolle erfahren, wie die US-Hilfe wirke und ob Washington mehr tun könne. Daneben setzen die USA auf Sanktionen gegen Syrien. Am Freitag setzte das US-Finanzministerium die staatlichen Ölkonzerne auf die schwarze Liste, weil sie Treibstoff an den Iran geliefert haben sollen. Zudem wurde US-Bürgern verboten, mit der Hisbollah im Libanon Geschäfte zu treiben, weil diese Assad unterstütze.

Finanzhilfe für Rebellen

Großbritannien stellt den Rebellen in Syrien Ausrüstung für fünf Millionen Pfund (6,3 Millionen Euro) zur Verfügung. Dabei handle es sich nicht um tödliche Waffen, betonte Außenminister William Hague in London. Es gehe vor allem um Funk- und Kommunikationstechnik sowie medizinische Hilfe. Auch Schutzanzüge seien dabei. Die Mittel würden zusätzlich zur humanitären Hilfe in Millionenhöhe gewährt, die Großbritannien bereits nach Syrien geschickt hat.

Der Menschenrechtsbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Markus Löning, warf dem Assad-Regime eklatante Menschenrechtsverletzungen vor und verlangte die Freilassung aller politischer Gefangener. Als exemplarischen Fall nannte er den syrischen Menschenrechtler Masen Darwisch, der das Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit geleitet hatte. Gemeinsam mit Mitarbeitern werde Darwisch seit dem 16. Februar an einem unbekannten Ort festgehalten. Es gebe Hinweise, dass ihm vor einem Militärgericht die Todesstrafe drohe.

(APA/dpa/Reuters/AFP/sda)

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