"Gewinne zu machen gilt in den USA nicht als Sünde"

Gewinne machen gilt nicht
Gewinne machen gilt nicht(c) Dapd (Luca Bruno)
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Der in New York beheimatete UniCredit-Banker Helmut Kratky sieht die Krisenbewältigung in Europa ausgewogener, aber auch wesentlich langsamer. Der Spielraum des Staates sei in den USA aber noch viel größer.

Die Presse: Sie arbeiten jetzt seit 1997 in New York. Wie beurteilen Sie mit ein bisschen Abstand die europäische Krisenbewältigung?

Helmut Kratky: Ich weiß nicht, ob mir diese Beurteilung zusteht. Aber es gibt natürlich schon einen „European Way“.

Wie unterscheidet sich der von dem „American Way“?

Die Maßnahmen der Amerikaner gegen die Krise von 2008 waren radikal. Da wurden alle Schleusen aufgemacht. Wenn das nicht passiert wäre, gäbe es in den USA wahrscheinlich kein Bankensystem mehr. In Europa ist man viel überlegter. Auf der einen Seite ist die Entscheidungsfindung ausgewogener, aber auch deutlich langsamer.

Die USA sind genau so hoch verschuldet wie viele Euroländer. Werden wir bald eine amerikanische Schuldenkrise erleben?

Die hohe Staatsverschuldung ist sicher ein Thema. Bezahlt werden müssen aber die Zinsen. Solange die niedrig sind, wird der Schuldenberg hoch bleiben. Noch sind die USA der „sichere Hafen“. Dass sich das mal ändern kann, ist keine Frage. Aber die Amerikaner haben viel Spielraum: Das Steueraufkommen in Prozent des BIPs ist deutlich geringer als etwa in Österreich.

Wobei die Fronten zwischen den Parteien ja ziemlich verhärtet sind.

Das stimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Steuern bald erhöht werden, ist gering. Früher gab es zwischen den Republikanern und den Demokraten eine gewisse Überschneidung, und auf dieser Basis sind die Gesetze gemacht worden. Heute gibt es das nicht mehr.

Leidet die Wirtschaft unter der Polarisierung der Gesellschaft?

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Nachteil ist.

Es könnte also auch ein Vorteil sein?

Die Wirtschaft ist ja viel freier als in Europa. Es gibt nicht viele Förderungen, also auch keine Diskussionen darüber, ob sie verlängert werden oder nicht. Man will höchstens ein sicheres Umfeld haben.

Die US-Investmentbanken haben zuletzt wieder gut verdient. Sehen Sie da eine Rückkehr in alte Muster?

Bei den Investmentbanken ist der Druck, Gewinne zu erzielen, sehr hoch. Wenn ein Mitarbeiter drei Monate lang sein Ziel nicht erreicht, verliert er seinen Job.

Wie kommt es denn in der Öffentlichkeit an, dass die Banken wieder hohe Gewinne schreiben?

Gewinne machen ist in den Vereinigten Staaten keine Sünde. Im Gegenteil, das wird bewundert. Man ist froh über Firmengewinne, auch wenn es Banken sind.

Bald tritt die „Volcker Rule“ in Kraft, die den Banken Eigenhandel verbietet. Was sind die Auswirkungen?

Die Gewinne werden zurückgehen. Mittelfristig wird die Regel einen positiven Effekt haben. In den USA haben die Banken eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, und die Industrie eine von zehn Prozent. Wenn das über längere Zeit so bleibt, fließt das ganze Kapital in den Finanzsektor. Langfristig ist es für die Wirtschaft gesünder, wenn die Banken ein normaler Akteur im Wirtschaftsgeschehen sind und nicht das ganze Kapital auf sich ziehen.

Sie betreuen österreichische Firmen, die in die USA gehen. Sehen Sie Bereiche, in denen es gute Chancen für österreichische Unternehmen gibt?

Sagen wir es so: Wenn der Wolfgang Ambros erfolgreich ist, singt er für acht Millionen Österreicher und ein paar Bayern. Das ist dann sein Markt. Wenn der Bruce Springsteen in Amerika singt, dann hat er einen Heimatmarkt von über 200 Millionen Menschen. Das Potenzial ist für jedes Unternehmen enorm. Es ist kein einfacher Markt, aber man kann in den USA immer noch viel Geld verdienen.

Zur Person

Helmut Kratkyarbeitete als Investmentbanker zunächst in Japan und später in Singapur. Seit 1997 ist der im Jahr 1958 Geborene für die UniCredit Bank Austria in New York tätig und betreut dort Firmenkunden aus Österreich, die in den Vereinigten Staaten Geschäfte machen wollen. Der Betriebswirt besitzt die österreichische sowie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2012)

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