"Polski Jazz" – Weltklassemusik im Abseits

Polski Jazz ndash Weltklassemusik
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Jazz erfreut sich in Polen nach wie vor großer Beliebtheit. Pioniere wie Krzysztof Komeda haben die einstige Musik der Dissidenten und Rebellen mit Elementen der polnischen Folklore und Klassik angereichert.

Danzig/Flü. Seit fast einem Jahr figuriert das Album „Komeda“ des Danziger Jazzpianisten Leszek Możdżer in der Jazzhitliste von Empik, der marktführenden polnischen Multimediakette. Możdżer versteht es wie kein anderer, auch schwierige Stücke publikumsgerecht aufzubereiten. Dabei hat er viele Stücke des polnischen Jazzpioniers Krzysztof Komeda neu interpretiert.

Zwar hat auch in Polen der Rock den Jazz als Ausdrucksform des Aufbegehrens längst abgelöst. Doch in keinem anderen Land der EU ist Jazz auch heute noch so beliebt wie hier. Natürlich verkauft sich Leichtbekömmliches wie die Zusammenstellung „Smooth Jazz Café“ besonders gut, doch jüngere Talente wie die Formation „Pink Freud“ oder Możdżer, der auch den Nationalheiligen Frédéric Chopin verjazzt hat, erfreuen sich großer Beliebtheit.

Begonnen hatte alles mit dem Swing. Der nach Hitlers Machtergreifung 1933 nach Warschau emigrierte deutsche Jude Eddie Rosner gilt als Polens erster Jazzkönig. Richtige Beliebtheit verschaffte dem Jazz in Polen allerdings – wider Willen – das kommunistische Regime.

Waffe im Kalten Krieg

Jazz war ab 1949 verboten, die Clubs wurden geschlossen. Im Untergrund aber florierte er weiter und machte Furore. Dazu beigetragen hatte der heimlich gehörte Radiosender Voice of America, der Jazz bewusst als Waffe im Kalten Krieg einsetzte. „Wenn wir den kommunistischen Osten nicht mit der Waffe erobern können, dann mit der Jazztrompete“, lautete die Losung. In Polen gelang dies.

Mit der Entstalinisierung nach dem Tod des Diktators bekam Jazz wieder Freiräume. Leopold Tyrmand, ein unangepasster Kultautor, bekam gar eine eigene Jazzsendung im polnischen Radio. 1954 besuchten in Sopot 25.000 Zuhörer das erste offizielle Jazzfestival. Vier Jahre später startete das bis heute international als wichtiges jährliches Jazzereignis anerkannte „Warsaw Jazz Jamboree“.

1956 präsentierte der früh verstorbene Krzysztof Komeda einen neuen Stil, der als „Polski Jazz“ in die Geschichte einging. Komeda verarbeitete polnische Volksmusik wie auch Chopin in seinen Stücken. Bald tourten nicht nur amerikanische Jazzgrößen durch Polen, noch in den späten 1950er-Jahren reisten erste polnische Jazzmusiker zu Konzerten in die USA. Viele von ihnen blieben, wurden aber in der Heimat nicht vergessen und sogar auf staatlichen Plattenlabels veröffentlicht. So etwa die Jazzvokalistin Urzula Dudziak, die mit ihrem damaligen Ehemann Michał Urbaniak zuerst ein paar Jahre nach Skandinavien und 1973 in die USA emigrierte. In der Michał Urbaniak Group spielte in den 1970ern auch der heute in Toronto lebende Weltklasse-Jazzpianist Adam Makowicz.

„Publikum ist faul geworden“

Derweil hat der Multiinstrumentalist Zbigniew Namysłowski in Polen eine einzigartige Fusion von Jazz und der Volksmusik des Tatravolkes der Góralen geschaffen.

Unter der Bezeichnung „Yass“ mischt seit den frühen Neunzigerjahren auch eine Gruppe unangepasster Musiker aus der „Dreistadt“ Danzig-Sopot-Gdynia rund um Tymon Tymański die etablierte Jazzszene auf.

Im Ausland immer noch geschätzt, stecke die Liveszene in Polen jedoch in einer Krise, sagt der in Jazzkreisen geschätzte Profimusiker Wiesław Wysocki. Gab es im legendären Warschauer Jazzclub Tygmont noch vor wenigen Jahren fast täglich eine Jamsession, so könne man heute froh sein, wenn einmal wöchentlich ein Konzert stattfinde. „Das Publikum ist faul geworden“, klagt Wysocki.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2012)

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