AMS-Chef: Rückgang der Arbeitslosigkeit erst 2015

AMS-Chef Herbert Buchinger im Interview mit der Austria Presseagentur.
AMS-Chef Herbert Buchinger im Interview mit der Austria Presseagentur.(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Herbert Buchinger spricht sich für Bildungskarenz und Arbeitszeitverkürzung aus und er sieht Auswirkungen der Ostöffnung für den Arbeitsmarkt.

Die Arbeitslosigkeit in Österreich soll in den nächsten Jahren leicht steigen. Erst 2015 erwartet AMS-Vorstand Herbert Buchinger wieder einen Rückgang, im darauffolgenden Jahr aber bereits wieder einen Anstieg. Die Anzahl der heimischen Arbeitskräfte - etwa durch Erhöhung des faktischen Pensionsalters oder gestiegene Frauenbeschäftigung - werde in den kommenden Jahren deutlich stärker steigen als die Zahl der Arbeitsplätze, sagte er im Interview mit der Austria Presse Agentur. Mit  Arbeitszeitverkürzung in der Industrie sollten die Sozialpartner der steigenden Arbeitslosigkeit gegensteuern.

Das Arbeitsmarktservice (AMS) prognostizierte im Frühling, dass die österreichische Arbeitslosenquote trotz schwächelnder Wirtschaft zwischen 2012 und 2016 nur leicht von 7,1 Prozent auf 7,5 Prozent steigen wird.

Arbeitszeitverkürzung nur in der Industrie

Um die steigende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen spricht sich Buchinger für Arbeitszeitverkürzung aus. Die Möglichkeit zur Verkürzung der Arbeitszeit sieht der AMS-Chef aber lediglich in der Industrie. Daher sollte branchenweise in Kollektivverträgen mit Arbeitszeitverkürzungsmaßnahmen reagiert werden, um die steigende Produktivität in der Industrie zu nutzen. Eine Verringerung der Normalarbeitszeit für alle durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes kann sich Buchinger hingegen nicht vorstellen. Gerade im Dienstleistungsbereich, im Bereich Gesundheit und Pflege würden dadurch die Arbeitskosten zu stark steigen.

Die Kurzarbeit werde ab Herbst wieder leicht zunehmen, aber nicht das Niveau des Krisenjahrs 2009 erreichen, erwartet Buchinger. Am Höhepunkt der Krise waren 66.000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit. "Das Know-how ist noch da und kann aus dem Stand reaktiviert werden". Derzeit sind nur 1.300 Beschäftigte in Kurzarbeit, vor allem im Dienstleistungsbereich. In Deutschland hat die General Motors-Tochter Opel wegen der Autoabsatz-Krise in Europa bereits Kurzarbeit beschlossen, in den nächsten Monaten könnte auch im GM-Motorenwerk Wien-Aspern die Krise durchschlagen.

"Sprunghafter Schock vermieden"

Durch die Arbeitsmarktöffnung für Osteuropäer aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten erwartet Buchinger pro Jahr 20.000 zusätzliche Arbeitskräfte. "Das überkompensiert allfällige Entlastungen durch die Demografie." Zwischen Mai 2011 und Mai 2012 haben 27.000 Osteuropäer eine Arbeit in Österreich aufgenommen. "Ein sprunghafter Angebots-Schock konnte vermieden werden, aber es entstehen kontinuierliche Arbeitsmarkteffekte". Ein Stopp des Zuzugs nach Österreich sei wegen der EU rechtlich gar nicht möglich, erteilt er diversen Forderungen eine Absage: "Österreich hat sich 1994 für den Weg der Integration entschieden". Ob es tatsächlich ab 2023 zu einem Rückgang des Arbeitskräftepotenzials in Österreich komme, wie Demografen prognostizieren, sei schwer zu sagen. Die konjunkturelle Entwicklung bis dahin sei nur schwer abzuschätzen.

Bildungkarenz mit "Unschärfen"

Die Diskussion um Sinn und Unsinn der Bildungskarenz kann Buchinger nachvollziehen, will aber keine Einmischung des AMS in Bildungsentscheidungen des Einzelnen. "Gewisse Unschärfen oder Graubereiche muss man eben akzeptieren - oder man will eine wenig effiziente und sehr aufwendige Bürokratie schaffen". 2011 hat das AMS rund 76 Millionen Euro für die Bildungskarenz ausgegeben, etwa 8300 Personen sind derzeit zum Zwecke der Weiterbildung karenziert. Eine "Teilzeit-Bildungskarenz" neben einem reduzierten aufrechten Arbeitsverhältnis, wie von ÖVP-Seite gefordert, kann sich Buchinger im APA-Gespräch durchaus vorstellen. Einzige Bedingung: Diese Möglichkeit müsste auch Teilzeit-Angestellten zur Verfügung stehen.

IT-Probleme

Insgesamt hat das AMS im vergangenen Jahr im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (Schulungen, Eingliederungsbeihilfe etc.) rund 316.000 Arbeitslose mit 969 Millionen Euro gefördert. "Jeder Kurs ist sinnvoll, aber vielleicht nicht jede Kursteilnahme", zeigt Buchinger gewisses Verständnis für manche Kritik. Seit 2005 werde die Zufriedenheit mit den Schulungen gemessen. Am zufriedensten seien jene Kunden, die die Schulungsmaßnahme gemeinsam mit dem AMS-Berater ausgewählt hätten.

Auch zu aktuellen IT-Problemen nahm Buchinger Stellung. Die Umstellung vom bisherigen Betreiber, der Siemens-Tochter amsbg, auf den neuen IT-Dienstleister IBM, gestaltet sich deutlich schwieriger als erwartet. Die Folgen: Lange Wartezeiten bei Anfragen, Firmen können neue Jobs nicht direkt melden, Beratungsgespräche dauern länger. Erst Ende Oktober, wenn die neue Hardware in Betrieb ist, sollen die Probleme endgültig gelöst sein. "Auszahlungen des Arbeitslosengelds waren noch nie gefährdet", versichert Buchinger. Trotz der Umstellungs-Schwierigkeiten werden die Kosten durch den neuen Anbieter um 50 Prozent sinken. Bisher habe man IBM auch noch gar nichts bezahlt. "Solange es noch Mängel gibt, zahlen wir nicht". Laut Zeitungsberichten beläuft sich das Angebot von IBM auf 173 Millionen Euro, zahlbar in Tranchen acht Jahre lang.

Flexibilität mit Vorbildwirkung

Dass Österreich im EU-Vergleich die niedrigste Arbeitslosigkeit aufweist, führt Buchinger unter anderem auf die hohe Flexibilität des heimischen Arbeitsmarkts zurück. Der Vorteil des österreichischen Systems sei die einfache Möglichkeit, Dienstverhältnisse zu lösen und neu zu beginnen, "daher stellen Betriebe gerne ein". Im Rahmen eines EU-Projekts unter AMS-Leitung wird die Performance von 20 staatlichen Arbeitsämtern evaluiert. Österreich sei in manchen Bereichen ein Vorbild, etwa bei der dezentralisierten Entscheidungskompetenz für die AMS-Berater oder bei der Lehrlingsausbildung. "Wir wollen aber nicht den Oberlehrer spielen".

(APA)

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