Zu spät losgesagt: Mann bleibt auf "Kuckuckskind" sitzen

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Ein Ehemann wollte feststellen lassen, dass seine Tochter nicht von ihm stammt. Die Gerichte verweigerten dies, obwohl die junge Frau tatsächlich von einem anderen abstammt.

Wien/Aich. Wenn klar scheint, dass man nicht der Vater eines Kindes ist, sollte man besser rasch handeln. Sonst kann es unter Umständen passieren, dass man das „Kuckuckskind“ nicht mehr loswird. So geschehen in einem aktuellen Fall, über den der Oberste Gerichtshof zu befinden hatte.

1984 kam das Kind ehelich zur Welt, die Eheleute galten rechtlich betrachtet somit automatisch als Vater und Mutter. Etwa drei Monate nach der Geburt gestand die Frau aber, dass sie Zweifel darüber habe, wer der Vater ist. Sie habe nämlich einen Seitensprung begangen. Folge des Geständnisses waren ein Ehekrach sowie ein Zerwürfnis zwischen dem Ehemann und dem Nebenbuhler. Die Ehe selbst sollte aber noch bis zum Jahr 1999 bestehen, nach der Scheidung einigte man sich darauf, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht bekommen soll. Im Jahr 2000 fragte die Tochter schließlich die Mutter, warum der Vater denn für sie keinen Unterhalt bezahle. Die Mutter erzählte ihrem Kind daraufhin, dass es gar nicht von ihrem geschiedenen Mann abstamme. Das erfuhr über Umwege auch der Ex-Mann. Hatte die Tochter bisher immer wieder den vermeintlichen Vater besucht, stellte sie nun den Kontakt ein. Das rief wiederum die neue Lebensgefährtin des jahrelangen Scheinvaters auf den Plan: Sie schrieb einen Brief mit blumigen Worten, aus dem hervorging, dass der vermeintliche Vater die Tochter immer wie ein eigenes Kind geliebt habe. Zudem ergab sich aus dem Brief, dass der Mann bereits seit der frühesten Kindheit der Tochter von deren wahrer Abstammung gewusst hatte.

Im Jahr 2011 wollte der Mann sich schließlich doch noch offiziell von seiner inzwischen 25-jährigen Tochter lossagen. Das Bezirksgericht Wien Innere Stadt wies den Antrag des Mannes aber zurück. Denn selbst wenn jahrelang nur ein gravierender Verdacht bestanden haben mag, dass die Tochter nicht die eigene sei, hätten sich die Verdachtsmomente spätestens im Jahr 2000 verdichtet. Und zwar so weit, dass die in §158 ABGB vorgesehenen Antragsfristen zum Tragen kommen. Demnach hat man ab Erkennen des „Kuckuckskinds“ nur zwei Jahre Zeit, gerichtlich feststellen zu lassen, dass der Nachwuchs doch nicht von einem selbst stammt. Diese Frist sei aber 2002 verstrichen, meinte das Bezirksgericht. Eine Meinung, der sich auch das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen in zweiter Instanz anschloss.

Es kommt nicht auf die Nase an

Der Mann zog vor den Obersten Gerichtshof. Dieser wischte aber die Einwände des Mannes weg. So sei es etwa nicht relevant, ob die Nasenform der Tochter drei Monate oder ein Jahr nach ihrer Geburt auffalle. Ebenfalls nicht entscheidend sei, dass die Tochter am Begräbnis ihrer – biologisch gesehen – Großmutter väterlichseits teilnahm. Das entscheidende Beweismittel, so der OGH, sei der Brief aus dem Jahr 2000. Daraus ergebe sich, was der Mann damals alles wusste, meinten die Höchstrichter, die den Vorinstanzen recht gaben: Der Mann hätte, nachdem er vom Geständnis seiner Ex-Frau gegenüber der Tochter erfahren hatte, eine endgültige Klärung der Abstammung in die Wege leiten müssen. Die Mutter habe schließlich nicht nur von Verdacht gesprochen, sondern richtiggehend eingestanden, dass der Ex-Mann nicht der Vater sei.

Obwohl sich im Prozess aus einem erbbiologischen Gutachten ergab, dass die Tochter sicher nicht von dem Mann abstammt, bleibt dieser somit der rechtliche Vater (8Ob120/11x). Übrigens: Später als 30 Jahre nach der Geburt des Kindes kann sich ein vermeintlicher Vater nie mehr von seinem Kind lossagen, egal, wann er die Verdachtsmomente erst aufgeschnappt hat. Nur das Kind kann sich dann noch von seinem Elternteil rechtlich lossagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2012)

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