Die orange Europa-Wende

Warum die Holländer den EU- und Euro-Austrittsverfechtern eine Absage erteilten.

Das war keine Herzensentscheidung. Es war purer Pragmatismus, der die Niederländer veranlasst hat, zu den Parteien der Mitte zurückzukehren. Und es war auch keine Begeisterung für die europäische Einigung, die sie bewegt hat, den Argumenten des rechtsliberalen Regierungschefs Mark Rutte und des gemäßigten Sozialdemokraten Diederik Samsom mehr Glauben zu schenken als jenen des Rechtspopulisten Geert Wilders, der ebenso wie die Linkssozialisten einen EU- und Euro-Austritt propagiert hat. Und doch war es eine große Überraschung.

Es hat sich etwas in den Gedanken der Niederländer – aber nicht nur bei ihnen – verändert. Selbst in Österreich hat sich die EU-Stimmung laut einer jüngsten Umfrage verbessert – trotz anhaltender Krise. Offenbar ist der Ärger über die Unzulänglichkeiten der europäischen Politik einem konservativen Gefühl gewichen. Es geht den Menschen wieder darum, etwas zu erhalten, was sie als Wert wahrnehmen. Es zu zerstören, war zwar ein faszinierender Ansatz, der dem Bauchgefühl entsprochen hat, aber eben nur dem.

Erstmals wird deutlich, dass es für Rechtspopulisten doch einen Unterschied macht, ob sie gegen Zuwanderer hetzen oder gegen das gemeinsame Europa. Zuwanderer sind (leider) für viele Menschen immer noch Angelpunkt ihrer Frustration. Aber ihre Ausgrenzung betrifft die Wähler längst nicht so direkt wie ein Austritt aus dem Euro oder gar aus der Europäischen Union. Ihnen ist durchaus bewusst, dass sie in diesem Fall die Nebenwirkungen persönlich spüren würden. Deshalb ist ihnen lieber, die unperfekte EU wird erhalten als zerstört.

Dieser neue Europa-Pragmatismus darf nicht mit einer positiven EU-Stimmung verwechselt werden. Aber er ist eine große Chance für Regierende, notwendige Reformen, die zum Erhalt der EU und des Euro notwendig sind, durchzusetzen.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2012)

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