Moser: "Ich trete nicht zurück, ich mache den Weg frei"

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In einer emotionalen Rede vor Journalisten rechnete die Grüne Gabriela Moser mit den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP ab - und gab den Vorsitz im U-Ausschuss auf. Eine Reportage.

Wien/Tulbingerkogel. Den Tulbingerkogel am Rande des Wienerwaldes mit seinen 494 Metern als „Berg“ zu bezeichnen, ist für österreichische Verhältnisse kühn. Und doch nennt es sich „Berghotel“ – jenes Quartier, in dem die Grünen im Rahmen ihrer zweitägigen Klubklausur Dienstagvormittag „den Weg frei“ machten – für die weitere Aufklärung von Korruptionsfällen; ja sogar „eine neue politische Kultur etabliert“ haben wollten. So – und damit gleichfalls kühn – klangen die Reflexionen der Grün-Abgeordneten Gabriela Moser. Der eigentliche Paukenschlag: Die Vorsitzende des Korruptions-U-Ausschusses warf das Handtuch.

Ihren Schritt zurück, um „den Regierungsparteien“ nur ja keinen Vorwand mehr zu liefern, den Ausschuss kalt „abzudrehen“, will Moser keinesfalls als „Rücktritt“ verstanden wissen. „Ich trete nicht zurück, ich räume meinen Vorsitzsessel und mache den Weg frei.“ Ihren Nachsatz an die im Seminarraum des Hotels am gestrigen Vormittag eilig zusammengekommenen Journalisten garnierte die Politikerin mit einem schelmischen Lächeln: „Wehe, Sie schreiben, ich trete zurück. Ich werde Sie aber nicht klagen, wenn Sie es doch tun.“

Ja, die 58-jährige Grün-Mandatarin wirkte in der Tat erleichtert. Die Last der Verantwortung, nämlich jener für das – zuletzt sehr wahrscheinliche – Scheitern des U-Ausschusses wollte die gelernte AHS-Lehrerin für Deutsch und Geschichte dann doch nicht länger stemmen. Obwohl: „Ich habe keinen Fehler gemacht. Ich habe nur auf einer kompletten Aktenlieferung an den U-Ausschuss bestanden.“ Damit sprach Moser vor luftig-sonnendurchfluteter Kulisse jenen „Kriegsgrund“ an, der zuletzt vor allem von SPÖ und ÖVP immer wieder angeführt worden war: Moser hatte Mitte Juli einen Antrag von SPÖ, ÖVP und BZÖ einer rechtlichen Prüfung vorbehalten. In dem Antrag war beschlossen worden, dass zu bereits behandelten U-Ausschuss-Themen, nämlich Telekom- und Buwog-Affäre sowie digitaler Behördenfunk und Glücksspiel-Gesetzgebung, bis Ende Dezember keine weiteren Aktenlieferungen mehr erfolgen sollten. „Der Antrag hatte zwar die Stimmenmehrheit, war aber nicht gültig.“ Darauf beharrte Moser auch gestern.

„Blockade muss aufgelöst werden“

Eine Einstellung von Aktenlieferungen etwa durch das Innen- und das Justizressort könne der Ausschuss nur einstimmig beschließen – da ja auch der Antrag auf Aktenanlieferung seinerzeit von allen fünf Fraktionen getragen worden sei. Das Diktum „Keine neuen Akten zu bereits abgehandelten Themen“ würde laut Moser bedeuten, dass bis auf Weiteres auch etwaige von Liechtenstein doch noch freigegebene Unterlagen zu den Stiftungsgeflechten von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser den Parlamentariern vorenthalten würden. Zuletzt hatte der grüne Klub sogar wegen des Verdachts der Verleumdung den Rechtsweg beschritten – und zwar gegen die Klubobleute Josef Cap (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP), weil diese Moser eine Verfälschung eines Ausschussprotokolls vorgeworfen hatten.

Kein Wunder also, dass Moser nun dieses Resümee zog: „Es geht nicht mehr. Es geht nichts mehr.“ Die Aufarbeitung diverser Korruptionsfälle hätte zuletzt „unter der Blockade der Regierungsparteien gelitten“. Diese hätten den Ausschuss „mit voller Absicht unterbunden“. Daher gelte es nun, „diese Blockade aufzulösen“. Eine Blockade, die offenbar deshalb aufgezogen worden sei, „weil es viel zu verbergen“ gebe. Das allseits erwartete Stichwort lieferte die Abgeordnete prompt: „Regierungsinserate“. Unter ihrer Vorsitzführung – an dieser Stelle wurde es wieder kühn – sei ein „Leuchtfeuer“ für einen politischen „Selbstreinigungsprozess“ entzündet worden. Dieses sei in den vergangenen Wochen zu einem „Signallämpchen verkümmert“. Aber: „Es glüht noch.“

Auch wenn sie nun den Vorsitz abgegeben habe, bleibe sie dem Ausschuss – so er denn weitergehe – erhalten. Gemeinsam mit dem Grün-Abgeordneten Peter Pilz. Wer künftig den Vorsitz führe, sei nicht mehr ihre Sache. Personelle Vorschläge mache sie keine. „Ich werde mich hüten.“ Die Chancen, dass der U-Ausschuss wie geplant am 26. September mit der nächsten öffentlichen Sitzung im Parlament weitergeht, bezeichnete Moser mit „50:50“.

„Faymann soll in den Ausschuss kommen“

Nach ihrer Rede bat Moser um eine Unterbrechung, die Mitglieder des grünen Klubs warteten bereits. Aus dem beabsichtigten vertraulichen Gespräch mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig wurde aber nichts. Umringt von Fotografen und eingehüllt in demonstrativen Applaus ihrer Parteifreunde ließ sich Moser von einer stolz lachenden Parteichefin für die Vorsitzarbeit danken. Letztere stellte auch gleich klar: Künftig müsse die Einrichtung eines U-Ausschusses als Minderheitenrecht gesetzlich verankert werden. Dies sei Bedingung für eine eventuelle grüne Regierungsbeteiligung. Apropos Regierung: An Werner Faymanns Adresse gerichtet meinte Glawischnig: „Der Bundeskanzler soll in den Ausschuss kommen und bei der Aufklärung helfen.“

Wie lange vorher sie eigentlich von Mosers Rückzugsplan schon gewusst habe? Glawischnig: „Erst seit der Früh.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2012)

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