War doch eh nichts...?

Übergriffe sind alltäglich, ein Unrechtsbewusstsein fehlt. Selbst bei Frauen.

Geschichten wie diese kennt wohl jede Frau. Die vom Taxilenker, der sich am Ende der Fahrt umdreht, die Hand aufs Knie legt und sagt: „Du kannst auch anders zahlen.“ Oder von dem, der sagt, dass seine Schicht jetzt aus ist, ob man etwas trinken möchte? Ob er mitkommen dürfe? Von Rempeleien in der U-Bahn, einem beiläufigen Grapschen, den derben Angeboten, nachts, aus einem Auto heraus, ganz zu schweigen. Es sind lästige, beleidigende, beängstigende Situationen. Aber alltäglich. Im besten Fall beschimpft frau den Täter, stößt ihn weg. Meistens aber flüchtet sie schnellstens aus der Situation, ohne Namen oder Autonummer zu registrieren.

„Eigentlich sollte man...“, heißt es dann gegenüber Partner und Freundinnen, „...sich beim Taxiunternehmen beschweren. Jemanden, der handgreiflich geworden ist, anzeigen.“ Tatsächlich macht das kaum eine Frau, solange die Situation nicht so erlebt wird, dass etwa eine Vergewaltigung denkbar wäre.

Falsch. Solange Täter – und es sind Täter, keine Spaßvögel, keine Charmeure, keine Casanovas – davonkommen, als Sieger aus der Situation hervorgehen, wiederholen sie ihr Verhalten. Solange Frauen sich nicht bei den richtigen Stellen beschweren und damit auf sensibilisierte Zuhörer treffen, sei es in Unternehmen, sei es bei der Polizei. Noch fehlt die nötige Sensibilität. Und der Wille, sich Alltagsübergriffe nicht gefallen zu lassen.

christine.imlinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2012)

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