(Wie) Schummelst du?

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Schummeln, schwindeln, plagiieren. Laut einer deutschen Studie schummeln vier von fünf Studenten. Erwischt wird kaum jemand – auch die meisten Plagiatoren bleiben unentdeckt. „UniLive“ hat bei Studenten nachgefragt.

Der dezente Schummelzettel unter dem Tisch, der schnelle Blick auf den Prüfungsbogen des Nachbarn oder auf das Smartphone, die Seminararbeit aus dem Internet, ein paar geschönte Experimente oder die Messergebnisse, die ein klein bisschen spannender hingetrimmt werden: Nicht nur in der Schule, auch an der Uni wird offenbar gelogen und betrogen was das Zeug hält.

Das besagt zumindest eine Studie der deutschen Universitäten Bielefeld und Würzburg, die kürzlich erstmals Daten zum Schummeln im Studium erhoben haben. Mehrere tausend Studenten und Dozenten wurden befragt.

Das Ergebnis: Vier von fünf Studenten haben innerhalb eines Semesters mindestens ein Mal geschwindelt – auf welche Art auch immer –, jeder fünfte Studierende hat zumindest ein Mal ein Plagiat als sein eigenes Werk abgegeben. Konsequenzen für die Studenten hat die Schummelei allerdings so gut wie nie, denn: Erwischt wird kaum jemand, 94 Prozent der Plagiatoren an den Unis bleiben unentdeckt – und das, obwohl das Thema Plagiat seit einiger Zeit in aller Munde ist, Stichwort Karl-Theodor zu Guttenberg. Für die österreichischen Studierenden gibt es solche Zahlen bislang nicht. „UniLive“ hat nachgefragt, wie die Studenten hierzulande schummeln.

Von der präparierten Saftpackung über das kaputte Auto und die dreimal abgegebene Seminararbeit bis zum Schummelklassiker in digitalen Zeiten, dem iPhone – skurrile (und wirksame) Methoden.

Die Mehrzweckseminararbeit

Monika S. studierte an der Uni Innsbruck.

Was haben die Lehrveranstaltungen „Methoden der politikwissenschaftlichen Forschung“, „Statistik für SozialwissenschaftlerInnen“ und „Wahlen in Tirol“ gemeinsam? Im Grunde nichts – dennoch habe ich es geschafft, in jeder dieser Veranstaltungen die gleiche Seminararbeit in leicht abgeänderter Form abzugeben.

Alles begann mit einer quantitativen, repräsentativen Umfrage zur Bundespräsidentenwahl, die wir in der Lehrveranstaltung „Methoden der politikwissenschaftlichen Forschung“ zu sechst durchgeführt haben – die dazugehörige Arbeit schrieb dann aber jeder separat. Im selben Semester musste ich auch im Proseminar „Statistik für SozialwissenschaftlerInnen“ eine Arbeit abgeben, in der ich verschiedene statistische Methoden anwenden sollte. Dafür bekamen wir einen Datensatz, den ich ablehnte – ich hatte ja meinen eigenen: die quantitative Umfrage aus dem ersten Seminar. Ich verfasste also eine einzige Arbeit für beide Seminare – nur das Deckblatt wurde angepasst.
Und als ich dann eine Arbeit zum Thema „Wahlen in Tirol“ verfassen musste, ergänzte ich meine bisherige Seminararbeit um ein paar Aspekte – und voilà: Auch die dritte Arbeit war bewältigt.

Die präparierte Saftpackung

Rainer H. studiert Soziale Arbeit in Wien.

Es war die letzte große Prüfung im ersten Studienjahr. Ich weiß, angehende Sozialarbeiter sollten wohl schon allein aus moralischen Gründen nicht schwindeln. Und dennoch, hier durchzufallen wäre besonders blöd gewesen. Also habe ich auf einen alten Trick zurückgegriffen, den ich schon in der Schulzeit angewendet habe: das präparierte Saftpackerl. Photoshop und Farbdrucker machen heutzutage ja alles möglich.

Und so habe ich die Seite der Packung, auf der in winziger Schrift die Inhaltsstoffe aufgelistet sind, fotografiert, und diese durch die wichtigsten Fakten ersetzt, die ich für die Prüfung brauchen konnte. Statt Zucker und Aroma standen da dann Jahreszahlen, Konzepte und dergleichen. Fein komprimiert – und für die Prüfungsaufsicht bestenfalls mit der Lupe zu entziffern.

Erwischt hat mich daher natürlich auch niemand. Gebraucht habe ich das Packerl allerdings auch nicht. Da dürfte nämlich das eingetreten sein, was beim Schummeln nur allzu oft passiert: Allein durch das Herausfiltern der wichtigsten Fakten sind sie im Kopf geblieben. Den Trick habe ich seitdem übrigens nicht mehr verwendet. Wenn, dann muss das Smartphone zum Schummeln herhalten.

Das Handy als Freund und Helfer

Tobias S. studiert an der Boku in Wien.

Dem Smartphone sei Dank. Nicht dafür, dass ich immer und überall erreichbar bin oder meine Mails ständig lesen kann – sondern dafür, dass ich die eine oder andere Prüfung in diesem Jahr positiv abschließen konnte, für die ich eindeutig zu wenig gelernt hatte.

Denn ich habe mir einen kleinen Trick zurechtgelegt: Ich fotografiere jene Teile aus dem Skript ab, die ich brauche, und speichere sie auf dem Handy. Ein kurzer Blick auf das Display während der Prüfung unter dem Tisch genügt und ich habe meine Antwort. Skripten, die digital vorhanden sind, habe ich sowieso am Handy und immer dabei. Und weiß ich einmal etwas trotzdem nicht, kennt Google meist die Antwort. Manche Prüfer schauen natürlich etwas genauer – dann fällt die Handybenützung zwar aus, aber auch dafür habe ich eine Lösung gefunden.

Ich speichere formatierte Textdateien unter dem Menüpunkt „Notizen“ auf meinem alten iPod Nano – der ist so dünn, dass ich ihn problemlos unter dem Prüfungsbogen verschwinden lassen kann. Und wenn man dabei nicht vergisst, die Beleuchtung zu deaktivieren, wird ihn auch niemand entdecken.

Das entschuldigte (Nicht-)Erscheinen

Peter U. studiert Sport auf Lehramt.

Ich schummle häufig, aber noch nie war meine Strategie so ausgeklügelt wie bei meiner Pädagogikprüfung. Stunden vor dieser schickte ich ein Mail an meine Professorin. Ich erzählte ihr, dass ich mich gerade auf den Weg von Oberösterreich nach Wien zur Prüfung machen wollte, dass ich es aber einfach nicht schaffte, mein Auto zu starten. Und dann richtete ich eine Bitte an sie: Sollte ich es tatsächlich nicht rechtzeitig nach Wien schaffen, sollte sie mich nicht  – wie beim Fernbleiben von Prüfungen eigentlich üblich – für den nächsten Termin sperren.

Damit war der Grundstein gelegt. Ich ging zur Prüfung und bat den Assistenten, der die Prüfung überwachte, mir einen Testbogen zu geben. Ich erklärte, dass ich für die heutige Prüfung zwar nicht angemeldet sei, den Bogen aber gern zur Vorbereitung für den nächsten Termin hätte. Und siehe da: Ich bekam ihn. Nun begann die eigentliche Arbeit. Ich ging auf die Toilette und beantwortete die Fragen mithilfe meiner Skripten. Dann wartete die größte Herausforderung: den Prüfungsbogen zurück in den Hörsaal zu schummeln. Als die ersten Prüflinge den Saal verließen, schlich ich mich hinein und gab den Prüfungsbogen ab. Resultat: mit Bravour bestanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2012)

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