Die Killerbienen sind die Hoffnung!

Killerbienen sind Hoffnung
Killerbienen sind Hoffnung(c) Filmladen
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Regisseur Markus Imhoof über seine Dokumentation "More Than Honey" und die Hintergründe des großen Bienensterbens. Welcher Honig ist gesund? Und wieso lebt eine Biene auf dem Zentralfriedhof gesünder?

Ich hatte keine Ahnung, dass ich Pflanzen beim Sex zusah“, erinnert sich Markus Imhoof anfangs als Erzähler seines Dokumentarfilms „More Than Honey“ an seine Kindheit mit Bienen. Sein Großvater hielt sie und zog selbst die Früchte für seine Marmeladeherstellung – bis er pleite ging, weil die Konkurrenz billiger arbeitete: Diese kaufte ihre Früchte preiswert an. „Und als er im Altersheim war, stand jeden Tag die Konfitüre der Konkurrenzfirma auf dem Tisch!“, erinnert sich Imhoof. Aber bei allen anekdotischen und autobiografischen Elementen ist „More Than Honey“ ein zivilisationskritischer Film mit ernsten Thema: Auslöser waren die Berichte über das Bienensterben.

Darüber kommunizierte Imhoof mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn, die in Australien an Bienen forschen: „So bekam ich ein differenzierteres Bild der ganzen Gründe.“ Und machte sich an die Arbeit eines Projekts, das fünf Jahre dauerte und mehrere Weltreisen umfasste. Das hatte der Filmemacher nicht geahnt. Aber: „Sobald man sich dafür entscheidet, ist es so, als würde man ins Spaceshuttle einsteigen.“

In China bestäuben Menschen die Blüten

So führt sein Film quer durchs Imkereigewerbe – vom österreichischen Familienunternehmen, das Königinnen züchtet, über den pastoralen Schweizer Bergbetrieb hin zum US-Großimker, der seine 15.000 Bienenvölker von einer pestizidvergifteten Monokulturplantage zur nächsten transportiert. Das Bienensterben ist überall: Inzuchtschwäche bedroht die reinrassigen Bienen in den Schweizer Bergen, bei den US-Transporten sterben sie in Massen, obwohl sie mit Antibiotika fitgemacht werden. Und in einigen Regionen Chinas gibt es schon keine Bienen mehr – dort werden die Blüten nun in Handarbeit von Menschen bestäubt!

Nicht das einzige absurde Bild in einem Film, der erstaunliche Stimmungswechsel vollzieht. „Die ganze Geschichte hat in ihrer Grässlichkeit eine tragikomische Absurdität“, stimmt Imhoof zu, „aber entscheidend war, dass man eine Geschichte erzählt und nicht einfach eine grüne Predigt von der Leinwand laufen lässt. Wichtig war, dass man die Sicht auf alles, was die Menschen machen, aus dem Blickwinkel der Biene erlebt. Sonst wär es nur ein journalistischer Film, aber es soll ein emotionaler Film sein.“

Dass man den Bienen so nahe kommt, verdankt sich auch der fantastischen Insektenfotografie von Kameramann Attila Boa. „In der alten Brotfabrik in Schwechat hatten wir ein Bienenstudio mit 15 Völkern“, erklärt Imhof. „Der gute Attila war schon bei mehreren Insektenfilmen dabei, er hatte Erfahrung wie ein Flohzirkusdirektor!“ Dazu kam ein „Bienenflüsterer“, um vorherzusagen, was die Bienen machen würden. Denn die Zeitspanne für eine Aufnahme war sehr gering – und einer Biene kann man auch nicht vorschreiben, wann und wie sie etwa die Pollenhosen ausziehen soll. „Da ging viel Material drauf“, erinnert sich Imhoof: Für die 36 Sekunden Film der Begattungsszene mit Königin und Drohnen drehte man anderthalb Wochen! Dafür ermöglicht „More Than Honey“ bislang ungeahnte Einblicke in das Bienenleben. Aber auch ihren Tod: „Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation“, ist Imhoofs provokant zugespitzte These. Etwa an der Massentierhaltung des US-Imkers zeigt sich, wie Pestizide und Antibiotika in den Nahrungskreislauf kommen.

Unterdrückte Forschungsergebnisse

Von Giftstoffen geschwächte Bienen sind für Schädlinge wie die Varroamilbe anfälliger. „Da gibt es Wechselwirkungen“, sagt Imhoof und verweist auf den Bienenforscher und Neurologen Randolf Menzel, der die subletalen Auswirkungen von Nervengiften auf Bienen untersucht hat, aber die Ergebnisse nicht veröffentlichen durfte. Imhoof glaubt daran, dass widerstandsfähigere Bienen gezüchtet werden müssen: Die Hoffnung sieht er so ausgerechnet in den sogenannten Killerbienen, die aus Brasilien kommen.

Imhoof: „Wenn man mich fragt, sage ich: Schaut's halt, wo der Honig herkommt. Wenn er südamerikanisch ist, hat man gute Chancen, dass er gesund ist. Denn Killerbienen haben Antibiotika nicht nötig.“ Pestizide könne man freilich auch dort nicht ausschließen – ebenso wie hier: „Man kann jedenfalls sagen, auf dem Zentralfriedhof lebt eine Biene gesünder als auf dem Land.“

>>> Das Interview mit dem Regisseur in voller Länge: "Schaut, wo der Honig herkommt"

Zur Person

Markus Imhoof (*1941 in Winterthur) ist einer der bedeutendsten Schweizer Filmregisseure, inszenierte auch Theater und Opern. Sein Film „Das Boot ist voll“ über den Schweizer Umgang mit Flüchtlingen vor dem NS-Regime war 1982 für den Auslandsoscar nominiert. Bekannt ist auch Imhoofs Terrorismusfilm „Die Reise“ (1986). „More Than Honey“, seine Dokumentation zum Bienensterben, ist ab 12.10. im Kino. [Filmladen]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2012)

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