Deutschlands Finanzminister will, dass sich die Welt vor dem EU-Kommissar fürchtet.
Es war wohl kein Zufall, dass Wolfgang Schäuble seine Vorstellungen zu einer Neuorganisation der europapolitischen Krisenfeuerwehr ausgerechnet auf dem Rückweg aus Fernost geäußert hat. Man kann getrost davon ausgehen, dass der deutsche Finanzminister während seines Aufenthalts in Tokio, Bangkok und Singapur von besorgten asiatischen Kollegen bekniet wurde, endlich durchzugreifen und jenen großen und erlösenden Wurf zu wagen, der die europäische Malaise ein für alle Mal aus der Welt schafft.
Dass derartige Wunschvorstellungen mit der komplexen Realität der Eurozone im Jahr vier der Krise wenig zu tun haben, tut wenig zur Sache. Schäuble hat den Heimflug jedenfalls dazu genutzt, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. So wünscht er sich für die Eurozone eine Art Dschingis Khan – einen „gefürchteten“ Währungskommissar, der im Alleingang gegen Reformverweigerer in die Schlacht ziehen soll und von einem muskulösen EU-Parlament sekundiert wird – frei nach dem Motto „getrennt marschieren, vereint schlagen“.
Dass derartige Vorschläge in Paris nicht gut ankommen werden, liegt auf der Hand – schließlich reagiert die französische Regierung auf alle Versuche, die nationalen Handlungsspielräume einzuschränken, allergisch. Das weiß auch Schäuble. Warum macht er sie trotzdem? Wohl um das Feld für die kommenden Krisenberatungen abzustecken. Denn je größer dieses Feld, desto mehr Manövrierraum hat Berlin – auch für das eine oder andere Rückzugsgefecht, das in den Verhandlungen mit Paris wohl notwendig sein wird.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2012)