Kuba: Castro-Regime erleichtert Ausreise

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Bewohner der Insel brauchen ab Jänner nur noch einen Pass, um ins Ausland reisen zu dürfen. Doch die Opposition spricht von einer Scheinreform. Parteizeitung „Granma“ erhebt schwere Vorwürfe gegen die USA.

Mexiko stadt/Havanna. Kubas Regierung hat die Reform bereits vor zwei Jahren versprochen, nun soll sie umgesetzt werden: Ab dem 14.Jänner 2013 brauchen kubanische Bürger nur noch einen gültigen Pass, wenn sie ins Ausland reisen wollen – und allenfalls das Visum des Gastlandes. Damit beseitigt der kubanische Staatschef Raúl Castro eine Einschränkung, die sein Bruder Fidel in den 1960er-Jahren eingeführt hat: die Vorschrift, wonach Reisewillige eine Erlaubnis der Behörden sowie eine schriftliche Einladung eines Ausländers oder einer ausländischen Institution brauchen. Diese Dokumente wurden zwar ab den Neunzigerjahren relativ großzügig erteilt, doch war der bürokratische Aufwand groß und ihre Ausstellung mit insgesamt mehr als 300 Dollar teuer – in einem Land, in dem der monatliche Durchschnittslohn 20 Dollar beträgt.

In dem nun in staatlichen Medien publizierten Dekret zu den Reiseerleichterungen hieß es zudem, dass die maximale Dauer, die sich kubanische Reisende außerhalb des Landes aufhalten dürfen, von elf auf 24 Monate erhöht werde. Danach müssen sie in einem kubanischen Konsulat eine Verlängerung beantragen.

Wer erhält einen Reisepass?

In einem Kommentar zum neuen Gesetz erhebt die Parteizeitung „Granma“ schwere Vorwürfe gegen die USA: Kubas neue Migrationspolitik berücksichtige „das Recht des revolutionären Staates, sich gegen die subversiven Pläne der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeter zu verteidigen“. Insbesondere werde Kuba Maßnahmen ergreifen, um das „von der Revolution geschaffene Humankapital vor dem Talenteraub durch die Mächtigen zu schützen“. Konkret dürfte dies bedeuten, dass Kubas Regierung bestimmten Berufsgruppen die Ausstellung eines Passes erschwert oder verweigert – etwa Ärzten, Ingenieuren, hochrangigen Funktionären oder Spitzensportlern. Es bleibt auch abzuwarten, ob Dissidenten nach dem 14.Jänner einen Pass erhalten.

Die Mehrheit der kubanischen Bevölkerung besitzt kein Reisedokument. Die in Madrid ansässige Exilorganisation „Kuba Demokratie jetzt!“ bezeichnete die neue Verordnung als „Scheinreform“, weil die Regierung nach wie vor willkürlich entscheiden könne, wer reisen darf und wer nicht.

Das Verhältnis zwischen der kubanischen Regierung und den Ausgewanderten ist seit Jahrzehnten gespannt und widersprüchlich. Die knapp zwei Millionen Emigrierten, von denen 80 Prozent in den USA leben, hat das Regime wiederholt als konterrevolutionäre Landesverräter gebrandmarkt. Der von Fidel Castro geprägte Begriff war „Würmer“. Andererseits sind die Überweisungen der Exilkubaner an ihre auf der Insel verbliebenen Angehörigen für die Revolution überlebenswichtig. Die angekündigte Reiseerleichterung, die zu einem ganzen Paket teilweise bereits umgesetzter ökonomischer und politischer Reformen gehört, ist ein Versuch, das Thema Migration zu entideologisieren.

Innenpolitisches Ventil

Den Auswanderungswillen eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung hat die Regierung in der Vergangenheit mehrmals als innenpolitisches Ventil und außenpolitisches Druckmittel eingesetzt. Und oft war sie dabei erfolgreich. Indem das Regime unmittelbar nach der Revolution viele Angehörige der Mittelschicht emigrieren ließ, wurde es tausende Oppositionelle los und konnte deren Häuser an die Armen verteilen. Castros Drohung, die Schleusen für eine Massenauswanderung zu öffnen, hat die US-Regierung während der sogenannten Bootskrise 1994 an den Verhandlungstisch gezwungen. Seither weisen US-Behörden auf offener See aufgegriffene kubanische Flüchtlinge ab.

Castro schickte Verbrecher in USA

Legendär ist die Auswanderungswelle, die sich 1980 vom kubanischen Hafen Mariel über Florida ergoss. Fidel Castro hatte dafür gesorgt, dass sich unter den 125.000Emigranten zahlreiche zuvor aus dem Gefängnis entlassene Schwerverbrecher sowie geistig Kranke befanden. Der Unmut in der amerikanischen Öffentlichkeit war groß und richtete sich nicht nur gegen Castro, sondern auch gegen den damaligen Präsidenten Jimmy Carter.

Auf einen Blick

Ab 14.Jänner brauchen Kubaner nur noch einen Reisepass und ein Visum des Gastlandes, um ins Ausland zu reisen. Der Großteil der Bevölkerung besitzt aber keinen Pass. Oppositionelle befürchten, das Regime werde über die Passaustellung weiter kontrollieren, wer das Land verlassen dürfe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2012)

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