Protest in Sizilien: Wahlboykott und Stimmen für Komiker

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Traditionelle Parteien schnitten bei der Regionalwahl in Sizilien schlechter denn je ab. Der homosexuelle Ex-Kommunist Crocetta vom linken Partito Democratico ist der voraussichtliche neue Präsident Siziliens.

Rom. Für den voraussichtlichen Wahlsieger Rosario Crocetta vom linken Partito Democratico (PD) dürfte eine neue Lebensphase anbrechen: „Falls ich Präsident werde, sage ich addio zum Sex und betrachte mich als verheiratet mit Sizilien, den Sizilianerinnen und den Sizilianern“, hat der 61-Jährige vor der Wahl versprochen.

Das „Keuschheitsgelübde“ Crocettas hat einen politischen Hintergrund: Der voraussichtliche neue Präsident Siziliens ist schwul – und sein wichtigster Koalitionspartner ist ausgerechnet die katholisch-konservative UDC. Montagnachmittag führte Crocetta nach ersten Auszählungen nach der Regionalwahl relativ klar mit 30 Prozent der Stimmen. Sein wichtigster Gegner, der Postfaschist Nello Musumeci, der von der Berlusconi-Partei PDL unterstützt wird, lag bei nur 25 Prozent. Damit zeichnet sich ein weiterer Rückschlag für Ex-Premier Silvio Berlusconi ab.

Bündnis mit Kommunisten

Das Wahlbündnis zwischen dem homosexuellen Ex-Kommunisten Crocetta und der UDC war eine der Besonderheiten des sizilianischen Urnengangs. Sollte das Experiment auf der Insel von Erfolg gekrönt werden, könnte dies Folgen auf dem Festland haben: Im Hinblick auf die Parlamentswahl im kommenden Frühling wird ein Zusammengehen von PD und UDC ebenfalls diskutiert. Eine Einigung scheiterte bisher an Nichi Vendola, einem weiteren schwulen Ex-Kommunisten, der eine süditalienische Region (Apulien) regiert. UDC-Chef Casini hat es bisher abgelehnt, sich mit Vendola ins „politische Lotterbett“ zu legen – doch ein Sieg Crocettas könnte zu einem Umdenken führen.

Niederlage für Berlusconi

Berlusconis PDL, der schon bei den Kommunalwahlen im Frühling eine verheerende Niederlage bezogen hatte, dümpelt in seiner ehemaligen Hochburg Sizilien (bei den Parlamentswahlen 2001 gewann Berlusconis Koalition in 61 von 61 Wahlkreisen) bei zwölf Prozent. Die Rechte wurde außerdem geschwächt durch den Alleingang von Berlusconis ehemaligem „Statthalter“ in Sizilien, Gianfranco Miccichè. Die Niederlage in Sizilien dürfte den PDL weiter destabilisieren: Beobachter gehen davon aus, dass Parteisekretär Angelino Alfano, ein Vertreter des Pro-Monti-Flügels, von Berlusconi nun fallen gelassen wird. Angesichts der jüngsten Rundumschläge Berlusconis, der nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs damit drohte, der Regierung Monti das Vertrauen zu entziehen, könnte ein Rücktritt Alfanos das endgültige Auseinanderbrechen der Partei zur Folge haben.

Schon vor dem Bekanntwerden der ersten Wahlergebnisse aus Sizilien hatten sich – ein seltener Vorgang im PDL – zahlreiche prominente Mitglieder öffentlich vom „Padre Padrone“ Silvio Berlusconi distanziert.

Zugewinne für Beppe Grillo

Von potenziell nationaler Ausstrahlungskraft ist auch die rekordtiefe Stimmbeteiligung: Mehr als die Hälfte der 4,4 Millionen Stimmberechtigten Siziliens ist zu Hause geblieben. Gerade noch 47 Prozent bemühten sich an die Urnen, im Vergleich zu 67 Prozent bei den letzten Regionalwahlen im Jahr 2008. Addiert man zu den Nichtwählern die – beachtlichen – knapp 20 Prozent Proteststimmen, welche auf den Kandidaten des Genueser Komikers Beppe Grillo entfielen, dann stellt man fest, dass gerade noch einer von drei Sizilianern den traditionellen Parteien das Vertrauen ausgesprochen hat.

Desavouiert durch Mafiaskandale

Diese sind in Sizilien durch allerlei Mafia- und Finanzskandale zwar noch desavouierter als ihre Mutterparteien auf dem Festland – aber der Trend zur Nicht- oder Protestwahl hat sich im Frühling auch schon auf nationaler Ebene deutlich abgezeichnet.

Auf einen Blick

Die Regionalwahl in Sizilien galt als erste Probe für die nächsten Parlamentswahlen in Italien. Sie gibt einen Trend wieder, der – wenn auch in geringerem Maße – für das restliche Land ebenfalls gilt. Gerade noch 47 Prozent der Wähler gingen in Sizilien überhaupt zu den Urnen. Und der Kandidat der Protestpartei des Genueser Komikers Beppe Grillo konnte einen erstaunlichen Erfolg verbuchen.

Die Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi musste laut ersten Ergebnissen eine Niederlage einstecken. Sizilien wird voraussichtlich von der Linkspartei PD regiert werden – und zwar mit Unterstützung der katholischen UDC.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2012)

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