Julian Baumgartlinger: "Bin eine Zweikampf-Maschine"

Julian Baumgartlinger eine ZweikampfMaschine
Julian Baumgartlinger eine ZweikampfMaschine(c) GEPA pictures/ Hans Simonlehner
  • Drucken

Mainz-Legionär Julian Baumgartlinger spricht im Interview mit der "Presse am Sonntag" über unangenehme Gegenspieler, ausgefallene Typen, sein Kämpferimage und die Kinderkarriere als Leichtathlet.

Heute Nachmittag treten Sie mit Mainz in Bremen an, treffen dabei auch auf Zlatko Junuzović. Fällt es Ihnen schwer, gegen einen guten Freund zu spielen?

Julian Baumgartlinger: Überhaupt nicht. Wir freuen uns seit drei Wochen auf dieses Spiel, stehen ständig in Kontakt. Das wird ein schönes Kräftemessen unter Freunden.

Nach neun Spieltagen findet sich Ihr Klub im ersten Tabellendrittel wieder. Sie tragen als Stammkraft einen Teil dazu bei. Wie zufrieden sind Sie mit sich selbst?

Sehr zufrieden. Es passen sowohl die Anzahl der Einsätze als auch die Leistungen. Ich bin gut in Form, spüre das Vertrauen von Trainer Thomas Tuchel. Das fühlt sich schon ganz gut an.


Thomas Tuchel schätzt unter anderem Ihre Laufstärke, die kein Zufallsprodukt ist.

Ich habe in meiner Kindheit parallel zum Fußball viel Leichtathletik trainiert. Punkto Koordination und Physis profitiere ich heute noch davon.

Welche war Ihre Spezialdisziplin?

Die gab es nicht wirklich, ich habe eigentlich alle Disziplinen gerne ausgeübt. Wenn ich mich mit 13 Jahren nicht für den Fußball entschieden hätte, wäre ich vielleicht ein Zehnkämpfer geworden. Das hätte ich mir ganz gut vorstellen können.


Läuft man als jener Typ Fußballer, wie Sie es sind, Gefahr, schlichtweg als Kämpfer abgestempelt zu werden? In erster Linie sind Sie doch ein sehr guter Fußballer.

Ich bin eben eine Zweikampf-Maschine. Daran denken die Leute zuerst, wenn sie an Julian Baumgartlinger denken. Damit kann ich auch leben. Ich mag es, wenn ich viel laufen muss, viele Ballkontakte habe. Aber klar, es geht nicht nur ums Laufen und Kämpfen. Wenn du so wie ich im zentralen Mittelfeld spielst, kannst du es dir am allerwenigsten erlauben, dass dir der Ball bei der Annahme drei Meter wegspringt. Du kannst es dir nicht leisten, technisch limitiert zu sein.


Im modernen Fußball gilt die Position des Sechsers als die wichtigste auf dem Feld.

Da widerspreche ich nicht. Der Sechser organisiert das Umschalten von Abwehr in Angriff, dient als Bindeglied. Mir taugt es, ständig angespielt zu werden. Ich bin immer mittendrin im Geschehen, werde durch das konsequent betriebene Pressing von allen Seiten unter Druck gesetzt. Diese Position bringt viel Verantwortung mit sich. Vor 15, 20 Jahren war das vielleicht noch etwas anders. In Österreich gab es ja die Bezeichnung „Staubiger Sechser“. Dieser Spieler hat vor der Abwehr ausgeputzt, den gegnerischen Spielmacher gestört, ja manchmal sogar ein ganzes Spiel Manndeckung gespielt. Mit der modernen Raumdeckung von heute geht das alles nicht mehr.


Bayern München hat im Sommer für Javier Martínez 40 Millionen Euro nach Bilbao überwiesen. Ein Zeichen, wie wertvoll Spieler dieses Schlages mittlerweile sind.

40 Millionen Euro für einen defensiven Mittelfeldspieler zu bezahlen wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Da wären 10 oder 15 Millionen Euro schon viel gewesen.

Wer ist der beste Sechser in Deutschland?

Der Dortmunder Ilkay Gündogan. Der spielt so frech und dynamisch mit Offensivdrang, das taugt mir. Auch Bastian Schweinsteiger ist großartig. Er spielt schon so lange auf einem unglaublich hohen Niveau. In Deutschland wird er völlig zu Unrecht kritisiert.

Sie messen sich Woche für Woche mit Topspielern. Wer war Ihr bislang unangenehmster Gegenspieler in der Bundesliga?

Marco Reus ist aufgrund seiner Technik und Dynamik unglaublich schwer zu verteidigen. Auch gegen Mario Götze und den Ex-Dortmunder Shinji Kagawa kommt man ungemein schwer in einen Zweikampf. Da denkt man sich nur: ,Guter Spieler, sehr guter Spieler.‘

Haben Sie ein Vorbild?

International waren es immer Xavi, Iniesta, Busquets und Fàbregas. Sie alle verkörpern den modernen Sechser, der den technisch perfekten Fußball spielt, viele Ballkontakte hat und immer in Bewegung ist.


Dennoch steht ein Sechser medial oft nicht in Reihe eins. Dafür gibt es Torjäger à la Ronaldo, Messi und Ibrahimović. Fühlen Sie sich manchmal ungerecht behandelt?

Nein, eigentlich nicht, auch wenn ich es mir ab und an wünschte, dass diese Arbeit noch mehr gewürdigt wird. Im Fußball geht es eben ums Toreschießen und um Offensivaktionen, das muss man akzeptieren. Aber jeder, der ein Fußballspiel sieht, wird merken, wie wichtig ein Sechser ist.


Hat man es als ruhiger Zeitgenosse wie Sie doppelt schwer, gewürdigt zu werden?

Mir geht es darum, auf dem Platz eine Persönlichkeit zu sein, nicht abseits davon. Ich will nicht mit meinem Auto auffallen.


Was halten Sie dann von ausgefallenen Typen wie etwa Marko Arnautović?

Ich bin froh, dass es solche Typen gibt. Ich verstehe mich auch super mit Marko. Es ist immer wieder amüsant, mit ihm Fußball zu spielen – oder ihm einfach nur dabei zuzusehen.

Erinnern Sie sich an Ihr Profi-Debüt für 1860München?

Natürlich, das war ein Wahnsinnsmoment. Im Herbst 2007 bin ich in einem Montagsspiel in der Allianz Arena gegen Gladbach eingewechselt worden.


Allerdings nicht im zentralen Mittelfeld.

Ich habe als Linksverteidiger gespielt, war immer ziemlich variabel einsetzbar. Aber im Zentrum habe ich mich stets am wohlsten gefühlt.


In München war dieses Sperrgebiet.

Lars und Sven Bender, heute bei Leverkusen und Dortmund, hatten schon damals einen gewissen Status, wurden mit 17 zu den Profis befördert. In gewisser Weise war es schlechtes Timing. Leider habe ich nie die Chance bekommen, mich bei 1860 zu beweisen.


Bereuen Sie diesen Karriereschritt?

Nein, ich bin sogar sehr dankbar für die vielen Erfahrungen. Als ich mit 13 von Salzburg nach München gezogen bin, war ich mir der Tragweite dieses Schritts absolut nicht bewusst. Dass ich letztlich acht Jahre in München lebe, meine Jugend und die schulische Ausbildung genieße, war nicht absehbar. Im Endeffekt hat es mir viel gebracht, vor allem Selbstständigkeit.


Teamchef Marcel Koller hält viel von Ihnen. Sehen Sie sich künftig neben Alaba gesetzt?

Die Konkurrenz rund um Kavlak, Leitgeb und Pehlivan ist groß und gut. Der Trainer hat den Kampf um das Leiberl als offenes Rennen ausgegeben. Ich denke, wir werden in den nächsten Länderspielen verschiedenste Konstellationen zu sehen bekommen.

Steckbrief

1988
wird Julian Baumgartlinger am
2.Jänner in Salzburg geboren.

2001
verlässt er seinen Jugendverein, den USC Mattsee, und wechselt nach München zu 1860.

2009
heuert er nach 13Profi-Einsätzen für die „Löwen“ bei der Wiener Austria an.

2009
gibt Baumgartlinger unmittelbar danach unter Teamchef Dietmar Constantini sein Debüt in der österreichischen Nationalmannschaft. Mittlerweile hält er bei 24 Einsätzen.

2011
schafft der Salzburger den Sprung zurück nach Deutschland. Bundesligist Mainz 05 verpflichtet ihn für vier Jahre.

2012
entwickelt sich Baumgartlinger im defensiven Mittelfeld der Mainzer zu einer absoluten Fixgröße.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bremen jubelt
Fußball

Fußball: Bremen gewinnt deutsches „Ösi-Duell“

Beim Spiel zwischen Bremen und Mainz standen fünf Österreicher auf dem Platz, drei durften am Ende einen 2:1-Heimsieg bejubeln.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.