Ägyptens Kopten: Ein neuer Papst für unruhige Zeiten

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aegyptens Kopten neuer Papst(c) EPA (KHALED ELFIQI)
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Tawadros II. wurde durch das Los zum Oberhaupt der Kopten bestimmt. Er muss seine Kirche durch die Ära des neuen Ägypten führen.

Kairo. Der 118. Papst der koptischen Kirche von Alexandria heißt Tawadros II. Das Oberhaupt der größten christlichen Gemeinde der arabischen Welt wurde am Sonntag in der Kathedrale von Kairo in einer Art Altarlotterie bestimmt: Ein junger Messdiener zog mit verbunden Augen aus einem gläsernen Kasten den Namen des neuen koptischen Papstes. Drei Kandidaten waren vorausgewählt worden. Das Losverfahren durch ein Kind repräsentiert für Ägyptens Kopten die göttliche Bestimmung: Die Hand des Buben wird von Gott gelenkt, glauben sie.

„Wir beten zu Gott, dass er einen guten Hirten gefunden hat“, erklärte der kommissarische Übergangspapst Pachomios, der die Zeremonie leitete. Als der Messdiener den Zettel mit dem Namen zog und ihn Pachomios überreichte, herrschte in der Kathedrale angespannte Stille. Dann wurde der Name des neuen Papstes Tawadros II. unter dem Applaus der Anwesenden verkündet.

Wagih Sobhi Suliman, wie Tawadros II. mit seinem weltlichen Namen heißt, hat Pharmazie an der Universität in Alexandria studiert und später eine Arzneimittelfabrik geführt. 1988 wurde er Mönch im Wüstenkloster. Neun Jahre später ging er als Weihbischof nach Beheira im nördlichen Nildelta.

Schon vor seiner Wahl galt er als Konsenskandidat. Als Bischof, der sich aus allem innerkirchlichen Zwist herausgehalten hat, steht er für den Wunsch des überwiegenden Teils der Kopten nach einer weniger politischen und mehr spirituellen Führung als bisher. Damit gibt Tawadros nach der Ära seines im März verstorbenen Vorgängers Papst Schenuda der Kirche eine neue Ausrichtung.

Nähe zum alten Regime

Unter dem 2011 gestürzten ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak hat Schenuda versucht, durch seine Nähe zum Herrscher staatlichen Schutz für die Christen zu erwirken. Viele Kopten, die ungefähr zehn Prozent der ägyptischen Bevölkerung stellen, argumentieren nun, dass die Christen als Staatsbürger in den neuen demokratischen Institutionen des Landes für ihre Rechte kämpfen sollen, die Rolle der Kirche in der Politik damit obsolet werde. Manche bezweifeln jedoch, ob die politische Abstinenz des koptischen Papstes angesichts der Stärke der Islamisten von Dauer sein wird.

Die letzten drei Kandidaten für das Amt waren von fast 2500 koptische Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus einer Liste von fünf Kandidaten gewählt worden, die die päpstliche Nominierungskommission ausgesucht hatte. Diese Kommission besteht aus neun Bischöfen und neun Mitgliedern des koptischen Laienverbandes. Um die Transparenz des Losverfahrens sicherzustellen, wurden die Zettel mit den drei letzten verbliebenen Namen, gleich gefaltet, in gleicher Größe aus einer gläsernen Urne gezogen. Das Ganze wurde live vom ägyptischen Staatsfernsehen übertragen.

„Ich habe keine Angst mehr“

Vor der Kathedrale herrschte nach der Wahl Feststimmung. „Dieser Papst wird unsere am 25.Jänner begonnene Revolution weiterführen“, schwärmte der koptische Journalist Samuel El Ashai. Nach dieser Wahl habe er keine Angst mehr – weder vor den Muslimbrüdern noch vor den Salafisten. „Wir sind hier und wir bleiben hier, denn das ist unser Land.“

„Der Papst sollte sich nicht in die Politik einmischen, weil die Kopten sich als Bürger politisch engagieren können und das zusammen mit Muslimen“, meint Youssef Sidhom, der Chefredakteur der koptischen Tageszeitung „Al-Watan“. Eine Einmischung der Kirche und des Papstes nütze nur denen, die wie die Islamisten einen religiösen Staat fordern.

Zweifel an Politikabstinenz

Emad Gad vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien gehört als ehemaliger Abgeordneter des inzwischen aufgelösten Parlaments zu jener neuen koptischen Elite, die sich politisch engagiert. Auch er mahnt eine weniger politisierte Rolle der Kirche ein. Aber an ihm nagen Zweifel, ob das auch klappt: „Mit einem Präsidenten, der aus der Muslimbruderschaft stammt, und den immer wieder aufflammenden Gewalttätigkeiten gegen Kopten wird auch der neue Papst gezwungen sein, sich mit politischen Problemen auseinanderzusetzen.“

Zur Person

Tawadros II. ist neuer Papst der koptischen Kirche von Alexandria, der größten christlichen Gemeinde der arabischen Welt. In Ägypten stellen die Kopten etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Wagih Sobhi Suliman, wie Tawadros II. mit weltlichem Namen heißt, hat Pharmazie studiert. 1988 wurde er Mönch. Neun Jahre später ging er als Weihbischof nach Beheira im nördlichen Nildelta. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2012)

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