Arbeitsmarkt: Einmal Leiharbeit, immer Leiharbeit?

(c) Clemens Fabry
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Laut einer Studie werden nur sieben Prozent der Leiharbeiter von den jeweiligen Unternehmen übernommen. Je kleiner die Betriebe, desto besser sind die Chancen für Leiharbeiter, auch angestellt zu werden.

Wien/Berlin. Sie wird von den Arbeitskräfteüberlassern gern als Brücke zur Festanstellung verkauft: die Leiharbeit. Eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung (RWI) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die Daten aus dem Zeitraum 2008 bis 2010 heranzieht, belegt nun, dass das viel weniger oft der Fall ist als bisher angenommen. Der „Klebeeffekt“, der dann eintritt, wenn ein Leiharbeiter vom jeweiligen Unternehmen übernommen wird, beträgt der Studie zufolge nur sieben Prozent und nicht 30 Prozent, wie von der Branche vielfach kommuniziert wurde.

Je kleiner die Betriebe, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für Leiharbeiter, angestellt zu werden: Der Anteil der übernommenen Leiharbeiter an der Gesamtzahl der eingesetzten Arbeitskräfte betrug bei Betrieben mit weniger als 50 Angestellten elf Prozent, bei Unternehmen zwischen 50 und 249 Angestellten sieben Prozent und bei Unternehmen mit über 250 Angestellten sechs Prozent. 18 Prozent der Betriebe gaben an, dass sie ehemalige Leiharbeiter angestellt hatten. Der Anteil der übernommenen Leiharbeitskräfte an allen Neueinstellungen betrug zwölf Prozent.

Die Hälfte ist gering qualifiziert

Gerhard Flenreiss, Bundesvorsitzender der Personaldienstleister der österreichischen Wirtschaftskammer, schätzt die Chance für Leiharbeiter, in österreichischen Betrieben übernommen zu werden, mit 20 Prozent deutlich höher ein, als die deutsche Studie belegt. Bei seiner Einschätzung berufe er sich aber nur auf „betriebsinterne Zahlen“, also auf Daten der großen Arbeitskräfteverleiher wie Manpower oder Powerserv. Unabhängige Studien liegen in Österreich noch keine vor.

„Die Zahlen variieren auch sehr stark von Branche zu Branche. Techniker, Facharbeiter und EDV-Spezialisten werden eher übernommen als gering Qualifizierte“, sagt Flenreiss. Den Anteil der gering qualifizierten Leiharbeiter schätzt er auf etwa 50 Prozent. Das Argument, dass Leiharbeiter gar keine feste Anstellung anstreben würden, entbehrt dem Autor der RWI-Studie, Michael Kvasnicka, zufolge jeder Grundlage: „Ein Großteil der Arbeitnehmer wünscht eine fixe Beschäftigung“.

Leiharbeit hat insofern eine Sprungbrettfunktion, als sie die Chancen von Arbeitslosen, überhaupt eine Beschäftigung zu finden, erhöht. Grob zwei Drittel der Leiharbeiter waren, so die Studie, bevor sie in die Leiharbeit einstiegen, ohne Beschäftigung.
Und: Je länger man als Leiharbeiter tätig ist, desto besser sind die Chancen, einen festen Job zu finden. Nach einem Jahr Leiharbeit fanden 34 Prozent einen Fixjob, zwei Jahre danach 45 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für vorher arbeitslose Leiharbeiter, nach zwei Jahren beschäftigt zu sein, ist um 20 Prozent höher als für jene, für die Leiharbeit nicht infrage kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2012)

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