Türkische Rochade: Erdoğan stellt Weichen für ein Präsidialsystem

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Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan will das derzeitige parlamentarische System umwandeln und strebt ein amerikanisches Regierungsmodell an.

Istanbul/Gü. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan hat zum ersten Mal konkrete Vorkehrungen für seinen geplanten Wechsel ins Amt des Staatspräsidenten eingeleitet: Seine Regierungspartei AKP legte am Dienstag ihre Vorschläge für die Umwandlung des derzeitigen parlamentarischen Systems der Türkei in eine präsidiale Demokratie vor. In Ankara wird erwartet, dass Erdoğan bei der Präsidentenwahl in zwei Jahren als Kandidat antritt. Er könnte dann bis zum Jahr 2024 regieren.

Die AKP reichte ihre Vorschläge für das Präsidialsystem beim Parlamentspräsidium in Ankara ein. Sie sollen in Kürze im sogenannten Einigungsausschuss beraten werden, in dem die vier Parteien im Parlament über eine neue Verfassung sprechen. Das aus 22 Artikeln bestehende Vorschlagspaket soll nach dem Willen der AKP noch diese Woche erörtert werden.

Nach Presseberichten orientieren sich die AKP-Vorstellungen teilweise am Vorbild der USA. Demnach bestimmt der direkt vom Volk gewählte Präsident allein über die Zusammensetzung seiner Regierung – bisher muss ein Kabinett in der Türkei vom Parlament bestätigt werden. Damit würden Koalitionsregierungen in Ankara unmöglich, weil der Präsident alle Fäden der Regierung in der Hand hielte.

Der künftige türkische Präsident dürfte laut AKP anders als bisher einer politischen Partei angehören und für höchstens zwei jeweils fünfjährige Amtszeiten auf seinem Posten bleiben. Die größte Oppositionspartei im Parlament, die links-säkulare CHP, lehnt eine Änderung des parlamentarischen Systems ab. Einige Beobachter in Ankara nehmen an, dass die AKP das Scheitern der Allparteiengespräche bewusst in Kauf nimmt und eine Referendum ansteuert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2012)

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