„Mix aus Grundrecht, Wettbewerb, Regulation“

Justitia
Justitiac Dpa Frank Rumpenhorst
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Das Jusstudium fokussiert in Österreich ganz auf nationales Recht – im Berufsalltag ist aber oft der Blick über die Grenzen notwendig. Postgraduale Lehrgänge bieten hier Abhilfe.

„Absolventen eines rechtswissenschaftlichen Studiums fehlt es in aller Regel an Know-how im Bereich internationaler Rechtssysteme“, betont etwa Susanne Herzog, Leiterin Executive Education & Development am Management Center Innsbruck (MCI). Auf postgradualer Ebene kann hier nachgerüstet werden – mit ganz unterschiedlichen Spezialisierungen.

Wirtschaftliche Lösungen

Am MCI hat man sich beispielweise wirtschaftlich orientiert. Der „Master of International Business & Tax Law LL.M.“ wendet sich an Absolventen eines rechtswissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Studiums, die bereits über einige Jahre Berufserfahrung verfügen. „Komplexe Fragestellungen des Wirtschafts- und Steuerrechts werden im internationalen Geschäft immer wichtiger“, erklärt Herzog. Vor diesem Hintergrund sei es im international tätigen Unternehmen sehr zu empfehlen, einschlägige Experten zu beschäftigen.

An der FH Vorarlberg (Schloss Hofen) wird der LL.M.-Studiengang „Europäisches Wirtschafts- und Regulierungsrecht – Master of Laws“ angeboten. Auch diese Weiterbildung richtet sich an bereits Berufstätige, sagt Geschäftsführer Armin Paul. Er weist vor allem darauf hin, „dass sich mit dem Vertrag von Lissabon das Europarecht vielfältig verändert hat. Studierende, die vor dem November 2009 ihr Studium abgeschlossen haben, können so auch ihre allgemeinen europarechtlichen Kenntnisse auf den aktuellen Stand bringen.“

Die Rahmenbedingungen haben sich hier in den vergangenen Jahren also dramatisch verändert – nicht nur im Recht an sich, sondern auch in der unternehmerischen Struktur, Stichwort Globalisierung. „Sowohl grenzüberschreitende Tätigkeit als auch die Tätigkeit in sogenannten netzbasierten Industrien wie zum Beispiel Energie oder Telekommunikation finden heute in einem nahezu ausschließlich europarechtlich geprägten Rahmen statt, der aus einer Mischung aus Wettbewerbsregeln, Grundfreiheiten und Regulierungsrecht besteht“, so Paul.

CEE im Visier

An der Universität Graz orientiert man sich vor allem Richtung Süden beziehungsweise Südosten. Das „Master Programme South East European Law and European Integration (LL.M.)“ wendet sich vor allem an Rechtsanwälte beziehungsweise Mitarbeiter in Rechtsabteilungen internationaler Unternehmen, sagt Zoe Temel, die stellvertretende Lehrgangsleiterin. Experten aus zehn Ländern stellen Best Practices vor: „Die Teilnehmer erhalten First-Hand-Informationen und Einblicke, die im herkömmlichen Jusstudium nicht vermittelt werden“, so Temel.

Eine ganze Palette von postgradualen Studienangeboten hat die Universität Wien im Talon. Etwa das LL.M.-Studium „Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht“ – angeboten sowohl in deutscher als auch englischer Sprache. Österreichische Studierende entscheiden sich übrigens meist für die deutschsprachige Variante, so Studiengangsleiter Siegfried Fina. Er ortet hier eine „gewisse Bequemlichkeit“. Das englischsprachige Programm werde vor allem von Juristen aus Drittstaaten gewählt – sie interessiert der europäische Wirtschaftsmarkt. Für heimische Juristen sieht Fina wiederum vor allem eine Möglichkeit, durch solch eine Spezialisierung aus dem großen Heer der Jusabsolventen herauszustechen, die im Grunde alle dasselbe beherrschen. „Mit einem solchen zusätzlich absolvierten Programm falle ich bei einem potenziellen Arbeitgeber auf.“

Völkerrecht steht im Studiengang „LL.M. in International Legal Studies“ der Uni Wien im Fokus. Nicht nur Unternehmen, auch staatliche und nichtstaatliche Organisationen agieren heute in einem zunehmend international geprägten Umfeld. Angesprochen werden hier Juristen mit Berufserfahrung in der Diplomatie, in internationalen Organisationen, in Ministerien oder international arbeitenden Wirtschaftskanzleien, so Programm-Managerin Claudia Luxon. Vermittelt werden „die Arbeit internationaler Gerichtshöfe, internationaler Organisationen und der zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen“. Grenzüberschreitende Themenschwerpunkte wie Investitionsrecht und internationales Wirtschaftsrecht wiederum spiegeln die wachsenden internationalen Probleme des vergangenen Jahrzehnts wider.

Eine gänzlich andere Zielgruppe spricht der LL.M.-Lehrgang „International Construction Law“ an der Uni Wien an. Adressiert werden hier Juristen in Kanzleien, die sich auf internationales Recht oder Baurecht spezialisieren, ebenso wie Anwälte in international tätigen Bauunternehmen, sagt Programm-Manager Martin Zuccato. Vom Regelstudium hebt sich dieses Angebot durch die Vermittlung baubetrieblicher Hintergründe und die vertiefende Behandlung internationaler Vertragsregelwerke ab. „Das Programm umfasst des Weiteren die Bereiche nationales und internationales Baurecht, internationales Vergaberecht sowie Pricing and Claim Practice“, so Zuccato. Auch alternative Konfliktlösungen im internationalen Kontext werden behandelt.

Die Lehrgänge

Management Center Innsbruck: Master of International Business & Tax LawLL.M., www.mci.edu

FH Vorarlberg – Schloss Hofen: Europäisches Wirtschafts- und Regulierungsrecht – Master of Laws,www.fhv.at

Universität Graz: Master Programme South East European Law and European Integration, www.seelaw.eu

Universität Wien: „LL.M. in International Legal Studies,http://international-legal-studies.univie.ac.at/, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht,http://eiblaw.univie.ac.at/
International Construction Law, www.postgraduatecenter.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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