Revolution mit Ablaufdatum

In Venezuela dräut das Ende der Ära Chávez. Das Land könnte „normaler“ werden.

Egal, wie man zu ihm politisch stehen mag: Hugo Chávez hat Charisma. Den stämmigen 58-Jährigen, der seit 14 Jahren den Ölstaat Venezuela regiert und zur linksrevolutionären „bolivarischen Republik“ gemacht hat, umgibt eine gewisse Aura, und wenn er poltert, Phrasen im Rhythmus einer Kalaschnikow drischt und flucht, hört man zu. Auch wenn man bisweilen grinst und sich an den Kopf greift.

Ein Krebsleiden also, kein so oft von ihm selbst beschworenes Attentat durch die CIA könnte den stiernackigen, hyperaktiven Ex-Offizier fällen, der (zumindest bis zur Bekanntgabe des Leidens 2011) pro Tag nur wenige Stunden schlief und zehn starke Espressi trank. Der erneute Aufbruch nach Kuba zu seinem Mentor Fidel Castro, um dort zum vierten Mal operiert zu werden, und die Nominierung von Außenminister Nicolás Maduro (50) zum Nachfolger legen in ihrer offensiven Inszenierung nahe, dass die Zukunft des Bolivarismus in Venezuela schon bald einer ernsten Prüfung unterzogen werden könnte.

Diese Ideologie bejubelt etwa die Unabhängigkeit gegenüber dem US-geführten Westen, die Bekämpfung des Kapitalismus sowie ausufernde soziale Wohlfahrt und „Ermächtigung“ der Armen. Chávez hatte gewiss die Kraft, diesen von europäischen Linksträumern beklatschten, doch oft fragwürdigen, autoritären, eigentumsfeindlichen Kurs zu halten und dafür zu begeistern.

Maduro gilt als linientreu, doch im Auftritt gemäßigt. Revolutionen von Dauer, noch dazu in einem Umfeld des Machismo, brauchen aber einen „Lautsprecher“. Maduro ist das nicht. Unter ihm dürfte vieles wieder „normaler“ werden; so, wie es auch auf Kuba passiert.

wolfgang.greber@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2012)

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