Das Ende (im Kino) ist (gar nicht so) nah

Endlich Weltuntergang
Endlich WeltuntergangEinhorn Film
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Ein heimischer Billigfilm will von aktuellen Apokalypse-Ängsten profitieren. Das hat eine lange Tradition im Kino. Von Zombies, Kometen und Riesenschnecken: ein endzeitlicher Rundgang.

Der Titel ist gut: „Endlich Weltuntergang“. So heißt der neue Billigfilm der Österreicherin Barbara Gräftner. Angesichts der Regelmäßigkeit, mit der Hollywoods Spezialeffektestudios das Ende der Welt in liebevollen Details ausmalen oder das Krisenzeit-Kunstkino in apokalyptischen Stimmungen und Handlungen schwelgt, möchte man mitseufzen: Ah, Weltuntergang, endlich. Dann wäre im Kino endlich Ruhe. Jedenfalls kurzfristig.

Denn filmische Endzeitfantasien haben zyklische Konjunktur, die nächste Welle kommt bestimmt. Die aktuelle profitiert von einer (nicht ganz unumstrittenen) Auslegung des Maya-Kalenders, die das Ende für 21. Dezember 2012 prophezeit – einschlägige Koryphäen weisen immer wieder darauf hin: Erich von Däniken, selbst ernannter Spezialist für „fantastische Wissenschaft“, hat etwa vorsorglich am 19. Dezember ein „letztes“ Pressegespräch anberaumt. Auf die Frage der „Kronen Zeitung“, ob sich die Welt weiterdrehen werde, antwortete er freilich: „Sie muss es, ich habe am 21.  Dezember abends einen Vortrag in Gmunden.“

Was macht Roland Emmerich 2012?

Ein anderer Apokalypsen-Experte, der Katastrophenfilmregisseur Roland Emmerich, hat bereits 2010 in seinem visionären Werk „2012“ dieses Ende beschworen. Und was macht er jetzt? Einen neuen Film.

Nicht sehr glaubwürdig. Aber gut: In „2012“ ging die Welt schließlich wieder einmal doch nicht unter. Das ist, jedenfalls prinzipiell besehen, eine Schwäche des sogenannten Endzeitkinos: Denn Untergangsvisionen haben zwar ihren offensichtlichen Reiz – aber in den meisten Fällen will die Unterhaltungsbranche dem Publikum dann doch kein niederschmetterndes Ende zumuten. Die Unentschlossenheit bringt einer der besten Filme des Genres auf den Punkt: Vor dem (offenen) Ende der britischen Produktion „The Day the Earth Caught Fire“ (1965) sieht man zwei Zeitungsschlagzeilen für den Fall: „World Saved“ und „World Doomed“. Aber schon das dänische Pionierwerk „Verdens Untergang“ („Das Ende der Welt“, 1916) von August Blom gab die Tendenz zur Weltrettung nach der reinigenden Katastrophe vor: Ein Komet rast auf die Erde, Panik bricht aus, spektakuläres Desaster überall – aber am Ende überlebt ein Paar und blickt hoffnungsvoll und demütig himmelwärts.

Bloms Film spiegelte das Weltkriegsgrauen, er war aber auch von Halleys Komet inspiriert, dessen Vorüberziehen 1910 Endzeitängste auslöste. Zur Wiederkehr des Kometen 1985 gab es zielsicher eine weitere Welle, vom teuren Katastrophenfilm „Meteor“ (1979) zur billigen Parodie „Night of the Comet“ (1984). Der Todesstreich aus dem Weltall ist ohnehin seit den Anfängen das beliebteste Motiv des Untergangs: Noch öfter als Invasoren, Zombie-Apokalypsen, ökologische und sogar atomare Katastrophen waren es Himmelskörperkollisionen, die ein kinetisches Kinoende mit Schrecken herbeiführen sollten. Erst zuletzt griff Lars von Trier das Thema in „Melancholia“ auf.

Eine Hütte schützt nicht vor Planeten!

Dass dabei eher in wagnerianischem Weltschmerz gebadet als nützliches Wissen vermittelt wurde (finale Lektion: eine improvisierte Reisigzweig-Hütte schützt nur ungenügend vor Planeteneinschlag), hat auch Tradition: Angesichts der letzten Dinge beschäftigen sich Filmemacher entweder mit philosophischem Gedankenwälzen oder ihre Spezialeffekte-Crew mit bombastischen Anregungen. Das Überleben in Katastrophensituationen thematisieren dann doch eher Filme, in denen nur die Zivilisation, jedoch nicht gleich der ganze Planet untergeht – Werke wie Ray Millands Atomschlag-Thriller „Panic in Year Zero!“ (1962, sinnfälligerweise auch unter dem Titel „End of the World“ vertrieben) liefern dabei jedoch meist unschön darwinistische Szenarien.

1974: Weltuntergang 1999?

Das blieb unabhängig von der Art des Weltuntergangs: So folgte der atomaren Angst der Nachkriegsjahre in den Siebzigerjahren eine Öko-Horrorwelle. „Weltuntergang 1999? – Die Prophezeiungen des Nostradamus“, spekulierte etwa 1974 ein obskurer japanischer Desasterfilm, wo von Smogvergiftung bis zu mutierten Riesenschnecken alles zusammenkam. Wohingegen die US-Produktion „The Late Great Planet Earth“ 1979 biblische Untergangsprophezeiungen mit dokumentarischem Anstrich verkaufte.

Bei „Endlich Weltuntergang“ hingegen darf man sich gemäß heutigen TV-Unterhaltungsformaten im Weltuntergangscamp wähnen. Wie bei ihrem „Friday Night Horror“ (ein Kinopendant zur ATV-Serie „Saturday Night Live“) versucht sich Gräftner am No-Budget-Trash mit zeitgeistigem Anspruch: Ein Dokumentarfilmteam begleitet Leute, die im Bunker überleben wollen; ein egozentrischer Börsenmakler dominiert das Geschehen, was zu Zwietracht führt. Inszenatorisch wirkt alles nur recht eilig – klar: Die Zeit drängt. Die angedeutete Sozialsatire hält sich auch in Grenzen, dafür ergeht man sich in langen Debatten, anfangs durchaus zu Fragen, die sich der Zuschauer auch stellt. Etwa: Was ist mit dem Geld? Denn wenn Gräftners Film am 14.Dezember ins Kino gekommen ist, wie soll sich das vor dem Weltuntergang noch lohnen? Freilich: Der ironische Werbespruch „Wer früher stirbt, ist selber schuld“ weist darauf hin, dass das Ende wieder einmal gar nicht so nah sein könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2012)

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