Mozartwoche: Starke Frauen und ein geläuterter Diktator

(c) APA BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

"Lucio Silla" mit Marc Minkowski und seinen fabelhaften Musikern aus Grenoble: eine musikalisch perfekte Eröffnungspremiere.

Warum nicht einmal ein szenisches Pendant zur historischen Musizierpraxis? Das war wohl der Grundgedanke zum Auftakt einer neuen Ära für die Salzburger Mozartwoche. Ab sofort zeichnet – neben dem neuen Leiter der Stiftung Mozarteum, Matthias Schulz, – Marc Minkowski für das Programm des traditionsreichen Festivals rund um Mozarts Geburtstag verantwortlich.

Ausgesucht für das Festivalentree hat man sich Mozarts letzte für Italien entstandene Oper, „Lucio Silla“. Dieses Sujet wird in dieser Woche noch in Vertonungen von Pasquale Anfossi und vom Bach-Sohn Johann Christian zu hören sein.

Leicht auf die Bühne zu bringen ist Mozarts im antiken Rom spielendes Dramma per musica nicht. Schon gar nicht, wenn man versucht, es so darzustellen, wie es möglicherweise zu Zeiten Mozarts der Fall gewesen sein könnte. Genau dieser Herausforderung stellte sich der kanadische Regisseur Marshall Pynkoski. Er ließ sich die entsprechenden historischen Kostüme entwerfen, dazu ein Bühnenbild, das sich auf den ersten Blick mit den römischen Originalschauplätzen in Verbindung bringen, aber auch so rasch verändern lässt, dass es keiner Pause zwischen den Szenen bedarf. Eine logistische Meisterleistung. Und Effekt macht es durchaus, wenn im Finale die Hinterwand dieses Bühnenbildes fällt, den Blick in die Weite freigibt. Ein Zeichen dafür, dass der brutale Diktator Lucio Silla am Ende erkannt hat: Nicht Macht, sondern Freiheit ist das höchste Gut.

Das ist die wichtigste Aussage dieser Inszenierung. Sonst sieht man hauptsächlich nobles Rampentheater, immer wieder begleitet von eleganten Choreografien. Die Brutalität des Geschehens bleibt angedeutet, ebenso die Gefühlswelt der Protagonisten. Sie können sich mit ihren Emotionen damit ganz auf die Musik zu konzentrieren, und sie nutzen diese Chance auch, was vor allem ein Verdienst von Marc Minkowski ist.

Wer bisher gemeint hatte, diese Mozartoper habe Längen sowie Schwächen in manchen der Rezitative und Arien, den belehrte der französische Maestro am Pult seiner brillanten Musiciens du Louvre Grenoble und des gut studierten Salzburger Bachchors eines Besseren. Mit zündendem Temperament durchmaß er die Partitur, sorgte von Beginn an für Spannung, erzielte mit straffen Tempi jene Dramatik, die man sich auch auf der Bühne gewünscht hätte.

Die Sänger ließ er dabei nicht im Stich. Im Gegenteil. Er legte ihnen selbst in den zügigst bewältigten Passagen einen idealen Teppich, deckte sie nie zu, gab ihnen Zeit zur subjektiven Entfaltung. Und sie dankten es ihm. Voran die selbst in den schwierigsten Koloraturen bombensichere, differenziert phrasierende russische Sopranistin Olga Peretyatko als persönlichkeitsstarke Giunia und Mezzosopranistin Marianne Crebassa als Cecilio, die mit ihrer souveränen Erscheinung und vokalen Artistik ebenso beeindruckte. Dagegen fielen Inga Kalna (Cinna) und Eva Liebau (Celia) etwas ab.

Und Rolando Villazón? Erstaunlich, wie er sich nach seiner Stimmkrise zurückgekämpft hat, mit welchem Elan er sich den vokalen Anforderungen der anspruchsvollen, für ihn neuen Titelpartie stellte, auch wenn bei der Premiere nicht alles gleich glückte. Dafür lockerte er mit seiner höchst agilen Bühnenpräsenz die Statik der Inszenierung auf.

Wiederholung: 29. Jänner. Die Inszenierung, eine Koproduktion mit dem Musikfest Bremen und den Salzburger Festspielen, wird am 27. Juli wiederaufgenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.