Obenherum zeigt sich die Männermode im Sommer von ihrer luftigen Seite. Ein Blick auf die Dekonstruktion der eleganten Männeruniform.
Brust raus, Partyknopf auf: In der Männermode geht es im Sommer heiß her, oder besser gesagt wird ebenjener Hitze Einhalt geboten. Denn Männer dürfen mehr Haut zeigen, wenn es nach Labels wie Dolce & Gabbana, Saint Laurent, Versace oder Armani geht. Die Zeiten, in denen Männer auch im Hochsommer nur im Anzug eine gute Figur gemacht haben, sind scheinbar vorbei, auffällig oft wurde auf den Laufstegen internationaler Modemarken männliches Dekolleté präsentiert. Weit aufgeknöpfte Hemden - teilweise bauchnabeltief - entblößen hier die glatte Männerbrust, teils wird wie bei Armani ganz auf das Hemd verzichtet und nur ein Sakko übergeworfen.
Dass Männer auch obenrum mehr Haut zeigen, ist nicht nur auf der Wiener Donauinsel im Sommer ein bekanntes Phänomen. Schon vor einigen Jahren experimentierten Stars in der Öffentlichkeit mit dem Oben-ohne-Look. so performte Harry Styles bei den Grammy Awards 2021 ohne Hemd, Timothée Chalamet zeigte sich 2022 bei den Oscars „oben ohne“. Ein Look, der für Schlagzeilen sorgte. Star-Stylistin Ashley Weston erklärte im Interview mit „Esquire“ bereits Ende 2021: „Wir haben definitiv einen Wandel gesehen, wenn es darum geht, wie ein Hauptdarsteller auszusehen hat. Ein Anzug ist nicht mehr die einzige Option für den Red Carpet. Und das hat wiederum zu mehr Experimenten mit Anzügen geführt - wie sie getragen werden, welche Silhouette, welche Farbe und Muster sie haben (...).“
Weg mit der Männeruniform
Es ist wohl die Weiterentwicklung der Dekonstruktion des Anzugs beziehungsweise der eleganten Männeruniform. Manschettenknöpfe wurden zuerst optional, dann die Weste des Dreiteilers, dann die Krawatte. Und nun anscheinend auch das Hemd. Während Jean Paul Gaultier bei seiner ersten Männerkollektion 1983 oder Raf Simons und Vivienne Westwood in den 1990ern den Anzug ohne Hemd noch als subversives Mittel gegen Autoritäten benutzten, ist es jetzt eher die Möglichkeit, mit einem formalen Dresscode herumzuspielen und ein Statement zu setzen, dass nicht zu gewollt wirkt.
In der Realität werden mit tief dekolletierten Hemden oder Sakkos ganz ohne Hemd wohl eher Assoziationen mit Miami Vice wach oder Mafiosi-Anspielungen der 90er-Jahre bedient. Brusthaare, Schnauzer, Goldkettchen, fertig ist der Magnum-Gedächtnislook. Star-Stylistin Ashley Weston ist sich auch sicher, dass der Trend etwas für den Mann im Alltag ist. Aber eben für jene, denen man den Trend auch abnimmt. „1000 Prozent kann es von einem normalen Mann getragen werden. Es geht darum authentisch und sich selbst treu zu bleiben, denn am Ende des Tages sollte man die Kleidung tragen und nicht umgekehrt.“ (chrile)