Erneuerbare Energie: Die Krux mit der Energiespeicherung

Jotily
  • Drucken

Bei der Frage nach der Speicherbarkeit von erneuerbaren Energiesystemen werden neue technologische Lösungen eingesetzt. Power-to-Gas ist einer der Möglichkeiten, Energie längerfristig zu speichern.

Eine der größten Herausforderungen in der Energiewende ist die Speicherbarkeit erneuerbarer Energie: der Wind weht nicht immer dann, wenn es nötig ist, und die Sonne scheint je nach Jahreszeit unterschiedlich stark. Daraus resultiert im Winter eine Unterdeckung, während es im Sommer zu einer Überproduktion kommt. Der Ausgleich des saisonalen Ungleichgewichts ist wesentlicher Faktor, wenn es um die Erhaltung der Versorgungssicherheit geht. Elektrizität per se ist nämlich nicht speicherbar, man muss sie umwandeln. So wird beispielsweise bei einer Batterie die erzeugte elektrische Energie in chemische Energie umgewandelt und dann in dieser Form gespeichert. Damit langfristig der Umstieg auf die komplette Stromversorgung aus erneuerbarer Energie funktioniert, braucht es ausreichend Speicherkapazitäten, die aktuell noch nicht verfügbar sind. Um im Winter die Energieversorgung sicherzustellen, werden daher immer noch Erdgaskraftwerke eingesetzt. Das soll sich in Zukunft ändern.

„Für kurzfristige Anwendungen sind Batterien und Pumpspeicher da, für die saisonale und langfristige Speicherung wird kein Weg an Wasserstoff und erneuerbaren Gasen vorbeiführen“, sagt Benedikt Hasibar, Energieexperte bei der RAG Austria AG, dem größten Energiespeicherunternehmen Österreichs. Mit rund 6,2 Milliarden Kubikmetern Erdgas gehört das Unternehmen zu den größten technischen Speicherbetreibern Europas und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit Österreichs und Mitteleuropas. Hasibar beschäftigt sich damit, wie das Unternehmen künftig auf sogenannte grüne Gase umstellen kann. Es gibt verschiedene Gase, die in die Kategorie „grün“ fallen: Biogas oder Biomethan aus landwirtschaftlichen Reststoffen, synthetisches Gas sowie erneuerbarer Wasserstoff.

Power to Gas

„Der Oberbegriff für die Speicherung von Strom ist Power to Gas. Um den hohen Energiebedarf Österreichs zu decken, ist heute ein hoher Anteil an fossilen Energieträgern wie klassisches Erdgas, Diesel und auch Kohle notwendig. Wenn in Zukunft gesamteuropäisch auf ein komplett erneuerbares Energiesystem umgestellt werden soll, muss zusätzlich zu der volatilen Produktion mittels Fotovoltaik, Wind und Wasser auch auf einen verlässlichen Partner wie grünes Gas und Wasserstoff gesetzt werden“, so Hasibar.

Benedikt Hasibar, Energieexperte bei der RAG Austria AG
Benedikt Hasibar, Energieexperte bei der RAG Austria AG

Die RAG hat deshalb gemeinsam mit Partnerunternehmen das Leitprojekt „Underground Sun Storage 2030“ entwickelt, bei der die sichere, saisonale und großvolumige Speicherung von erneuerbarer Energie in Form von Wasserstoff in unterirdischen, ehemaligen Erdgaslagerstätten getestet wird. Dabei wird erneuerbare Sonnenenergie zunächst klimaneutral mittels Elektrolyse in grünen Wasserstoff umgewandelt und anschließend in reiner Form gespeichert.

Einzigartige Anlage in Oberösterreich

Dafür eignen sich ausgeförderte Erdgaslagerstätten, die in den vergangenen Jahrzehnten von der RAG erschlossen worden sind. Im Demonstrationsprojekt „Underground Sun Storage 2030“ wird erneuerbare Energie in Form von reinem Wasserstoff in der Lagerstätte abgespeichert, um diesen für alle möglichen Anwendungen zu verwenden, etwa den saisonalen Energieausgleich. Die weltweit einzigartige Anlage in Gampern in Oberösterreich will zeigen, dass erneuerbare Sonnen- oder Windenergie klimaneutral durch eine Wasser-Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und gespeichert werden kann, bis es tatsächlich gebraucht wird. Wasserstoff ist die perfekte Lösung für ein vollständig CO2-neutrales Energiesystem: Wasserstoff kann klimaneutral erzeugt und direkt in der Industrie eingesetzt werden sowie umweltfreundlich Energie produzieren. Er kann sogar als Kraftstoffalternative für die Mobilität dienen. „Theoretisch könnte man das Gas über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte lagern“, zeigt Hasibar die Vorteile auf. Die Speicherstätte muss auch nicht unbedingt neben der Windkraft- oder Solaranlage stehen, denn erzeugter Strom könnte über das Stromnetz zu einem Speicher geschickt werden, wo dann die Elektrolyse stattfindet.

Intelligente Vernetzung

Dass es möglich ist, Schwankungen von erneuerbaren Energien zum Geschäftsmodell zu machen, beweist das Wiener Start-up Awattar. Der Strompreis vom 2014 gegründeten Unternehmen wird günstiger, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Denn Awattar lässt den Kunden Strom genau dann verbrauchen, wenn genug vorhanden ist. Dafür bietet das Unternehmen einen stündlich variablen Tarif an, der den günstigeren Preis des Stroms zu den Zeiten, in denen viel erneuerbare Energie produziert wird, an den Kunden weitergibt. Durch eine intelligente Vernetzung der verwendeten Geräte soll der Verbrauch optimiert werden. Das Elektroauto kann dann zur am besten geeigneten Tageszeit geladen werden, wenn der Tarif am günstigsten ist.

Fit für die Energiewende

Der aktuelle Energiewendereport vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und McKinsey & Company zeigt, dass das Sammeln und Interpretieren von Daten und eine weitgehende Digitalisierung von Energiesystemen und Industrieprozessen erforderlich ist, um Österreich fit für die Energiewende zu machen. Nur dann sei es möglich, das Potenzial erneuerbarer Energien voll auszunutzen. Das ermöglicht einen bedarfsorientierten, flexiblen Stromkonsum. Denn mit der Zunahme von E-Mobilität, vernetzten Gebäuden, Smart Homes und hochkomplexen digitalen Anwendungen in der Industrie und Wirtschaft braucht es ein leistungsstarkes und dennoch klimaneutrales Energiesystem.

Stromnetz 4.0

Das Stromnetz der Zukunft muss daher belastbar und sicher sein, damit es nicht zusammenbricht. Aufgrund des wachsenden Anteils an erneuerbaren Energien sowie des damit verbundenen überregionalen Energieaustausches, sehen sich Energieunternehmen mit einer immer höheren Komplexität auf Netzseite konfrontiert, wenn es darum geht, eine sichere Versorgung zu gewährleisten. Die Lösung könnte eine in Österreich entwickelte Künstliche Intelligenz schaffen. Das Start-up Enlite AI mit Sitz in Wien hat gemeinsam mit der Johannes Kepler Universität Linz eine Art „selbstheilendes“ Stromnetz entwickelt. Beim Projekt „Stromnetz 4.0“ handelt es sich um ein weltweit einzigartiges Verfahren, bei dem Reinforcement-Learning-Agenten die optimalen Schaltzustände für das gesamte Stromnetz ermitteln, um Blackouts zu vermeiden sowie durch intelligente Flusssteuerung die Kosten und den CO2-Ausstoß für kurzfristige Kapazitätsmaßnahmen zu verringern.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.