Der digitale Handel mit recycelten Abfällen

© Digi-Cycle GmbH, Philipp Zach
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Immer mehr digitale Plattformen haben sich auf den Handel mit Rezyklaten und Sekundärrohstoffen spezialisiert. Ein wichtiger Bestandteil, um mehr Transparenz bei Stoffströmen zu bekommen.

Eine wichtige Rolle für eine gelungene Kreislaufwirtschaft spielt der Konsument. Denn dieser muss an der Sammlung teilnehmen und den Abfall richtig trennen. Sortiermaschinen sind zwar technisch gut ausgerüstet, aber können nicht jedes Material eindeutig zuordnen und richtig trennen. Ein klassisches Problem ist beispielsweise der Joghurtbecher, der manchmal aus drei Stoffteilen – Papier, Alu und Kunststoff – besteht. Wirft der Verbraucher den Becher in seiner ursprünglichen Form in die gelbe Tonne, kann nicht sichergestellt werden, dass die Sortieranlage diesen richtig erkennt und sortiert. Sortieranlagen operieren mit Nah-Infrarot-Detektoren. Mithilfe der Sensoren ordnen sie jedes Stück, das auf dem Sortierband liegt, einer Materialart zu. Dabei handelt es sich um ein Oberflächenverfahren, das nicht unter die visuelle Schicht leuchten kann. Wenn nun der Becher mit Papier ummantelt ist, wird dies von den meisten heutigen Sortieranlagen in die Resteverwertung geschickt und nicht weiter zum Kunststoff oder in die Papierverwertung. 

Österreicher verbrauchen 300.000 Tonnen Kunststoffverpackungen pro Jahr, die, sofern sie in der Sortieranlage landen, einzeln sortiert werden müssen. Dafür werden mehrere Sortiertechniken hintereinander geschaltet, ein komplexer Prozess. Am Ende des Sortierungsprozesses wird das Material mithilfe einer Presse in Form gebracht. Diese Ballen stehen dann für den Weiterverkauf bereit. „Das Schließen von Stoffkreisläufen nutzt einerseits langjährige Beziehungen zwischen Sammelsystemen und Verwertungsbetrieben, daneben gibt es aber auch immer mehr digitale Plattformen, die sich auf den Handel mit Sekundärrohstoffen spezialisiert haben“, so Felix Badura, Geschäftsführer der Digi-Cycle Gmbh, einer App, die digitales Recyceln möglich machen möchte.

Per Klick zum Material-Ballen

Ein Beispiel für einen digitalen Handelsplatz ist das deutsche Start-up Cirplus aus Hamburg. Es handelt sich dabei um einen internationalen B2B-Marktplatz für Rezyklate und Kunststoffabfälle. Unternehmen können auf der ganzen Welt ganz einfach online standardisierte Rezyklate anbieten oder einkaufen, wobei jeder Nutzer der Plattform von Cirplus zertifiziert wird. Die Produktpalette umschließt unsortierte Abfälle, Regranulate, Verbundwerkstoff oder Additive. Über 1200 Unternehmen aus 100 Ländern zählen inzwischen zu den Kunden des Online-Marktplatzes. Cirplus wurde Ende 2018 gegründet und zählt Industriegrößen wie Deiss oder die Greiner AG zu seinen Nutzern. Noch vor wenigen Jahren, als Cirplus startete, war der Rezyklate-Markt intransparent, margenschwach und wies keine Qualitätsstandards für recycelte Kunststoffe auf. Cirplus lieferte eine erste unkomplizierte und digitale Lösung. 

Jede verkaufte Tonne Rezyklate ersetzt bis zu 80 Prozent an CO2-Emissionen gegenüber dem Einsatz von Neuware“, sagte Volkan Bilici, Co-Founder und CTO von Cirplus beim Greentech Festival im letzten Jahr, bei dem das Unternehmen in der Kategorie Start-up ausgezeichnet wurde. Einerseits soll die Neuproduktion von Kunststoffen reduziert werden und damit auch die Freisetzung von umweltschädlichen CO2-Emissionen. „Aktuell wird ein Bestand von mehr als 1,3 Millionen Tonnen an Material gelistet“, so Bilici. Andererseits setzt die Plattform neue Anreize für Recycling und leistet somit einen Beitrag, die Vermüllung des Planeten zu stoppen. Und der deutsche Abfallmarkt ist riesig: So erwirtschaftete die deutsche Recyclingbranche allein im Jahr 2020 einen Umsatz in der Höhe von rund 14,5 Milliarden Euro. Das entspricht laut dem Statistischen Bundesamt einem Anteil am Gesamtumsatz der Entsorgungswirtschaft von 36 Prozent. Die Recyclingbranche beschäftigt in Deutschland bei über 500 Unternehmen rund 35.000 Personen.

Abfall-Makler aus Wien

Es gibt aber auch Beispiele aus Österreich. So launchte das Wiener Start-up Wastics Mitte des Jahres ebenfalls eine Plattform für Abfallmanagement. Allerdings ist Wastics auf gefährliche, flüssige Abfälle im chemischen Bereich spezialisiert. Für abfallerzeugende Unternehmen aus der Industrie galt oft wegen der komplexen Entsorgung: Hauptsache die Abfälle sind weg! „Wir wollen daher eine einfache, digitale Lösung bieten“, so Wastics-Co-Gründer Stefan Schott. Das Marktpotenzial sei groß: „Durch den steigenden Einsatz von Zukunftstechnologien wie erneuerbaren Energiesystemen, bei deren Produktion oft Chemikalien eingesetzt werden und die Abfälle sehr komplex sind, steigt das Abfallaufkommen immer weiter an“, so Schott. Einem Bericht des EU-Rechnungshofs zufolge verzeichne das Abfallaufkommen im gefährlichen Bereich gerade in hochentwickelten Ländern wie Schweden, Dänemark, Deutschland oder Österreich enorme Wachstumsraten von teils über 100 Prozent.

Auf der Plattform können die abfallerzeugenden Unternehmen den kompletten Prozess von der Suche eines geeigneten Abnehmers bis zur Rechnungslegung abbilden, während zeitgleich Aufwand und Kosten gesenkt werden sollen. „Es ist eine sehr konservative Branche, die immer noch analog gehalten wird“, sagt Schott. Ein Beispiel sei das Begleitscheinwesen beim Transport von Abfällen, für die es längst digitale Aufzeichnungsmöglichkeiten gibt. Diese werden aber oft nicht genutzt. Wastics will für mehr Transparenz bei Stoffströmen oder bei der Aufzeichnung sorgen und den Kunden über ein All-in-one-Service-Angebot abholen. Der Prozess wird von der Abfallentstehung über die Übergabe an einen Entsorger bis hin zur Wiederverwertung der Abfälle digital abgebildet und damit vereinfacht. Dieser Prozess ist auf dem Weg in eine technologisierte Zukunft unabdingbar.

Schrott ist nicht Müll

Ein Vorzeigematerial, wenn es um das Thema Recycling geht, ist Aluminium. Da man dieses Material unendlich wiederverarbeiten kann, funktioniert das Recycling von Aluminium schon heute weltweit so gut, dass rund 75 Prozent des gewonnenen Rohmaterials noch im Umlauf sind. In Zukunft sollen auch Kunststoffe und andere Materialien ähnliche Erfolgsquoten haben. Aluminium zeigt, dass der Kreislauf funktionieren kann, wenn man die richtigen Anreize setzt und aufklärt. Entscheidend ist das Zusammenspiel von Hersteller, Verkäufer, Konsument und Entsorger. 

Wie Konsumenten richtig recyceln

Beim Konsumenten setzt wiederum Digi-Cycle an und will all jene abholen, die noch nicht recyceln oder nicht wissen, wie man es richtig macht. Damit das Recyceln möglichst einfach wird, kann der Nutzer ein Produkt scannen und erfährt dann, wie man es richtig entsorgt: also in welche Einzelteile es zerlegt werden soll und wo sich die nächste Sammelstelle befindet. Neben der Aufklärung gibt es ein Bonusprogramm, das die Motivation steigern soll. So bietet Digi-Cycle beispielsweise ein Bonusprogramm für das Recyceln von Kaffeekapseln. „Man bekommt eine spezielle Vorsammelhilfe mit eindeutigem QR-Code im Supermarkt, füllt diesen mit gebrauchten Kapseln und wirft diesen in einen ebenfalls mit Code markierten Sammelbehälter. Durch das QR-Code-Scannen notiert die App, dass richtig recycelt wurde und man bekommt Sammelpunkte aufs Konto“, erklärt Badura. Durch die getrennte Sammlung werden die Kaffeekapseln in eine spezialisierte Verwertung gebracht, wo nicht nur die Alu- oder Kunststoffkapsel stofflich verwertet, sondern auch der Kaffeesatz energetisch genutzt werden kann. „Die gesammelten Punkte kann man anschließend gegen neuen Kaffee einlösen“, zeigt der Geschäftsführer den Ablauf des Bonussystems auf.

Wenn in Österreich ab 2025 das Einwegpfandsystem umgesetzt wird, wird dies vorwiegend über klassische Rücknahmeautomaten im Supermarkt abgewickelt. Doch der digitale Aspekt sollte dabei nicht in den Hintergrund rücken: „Digitale Pfandsysteme können leicht auf neue Stoffströme ausgeweitet werden, die man etwa aufgrund ihrer Form oder ihrer hygienischen Bedingungen nicht im Supermarkt sammeln will. Unsere Zukunftsvision ist es, dass bei wertvollen Stoffen zukünftig verstärkt auf digitales Pfand gesetzt wird“, so Badura.

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