Rechenzentren: Vom Energieschlucker zum grünen Datacenter

Unsplash
  • Drucken

Bei modernen Rechenzentren nimmt Nachhaltigkeit künftige eine zentrale Rolle ein. Ein Vorzeigebeispiel wird derzeit in Frankfurt erreichtet.

Nachhaltigkeit im Rechenzentrum ist kein Nice-to-have, sondern hat beim Bau und Betrieb moderner Datacenter künftig eine zentrale Rolle einzunehmen hat. Dies versucht man gerade in Deutschland per Gesetz festzulegen. Der Plan der Bundesregierung lautet, dass Rechenzentren in Deutschland ab 2027 klimaneutral betrieben werden müssen. Der Ende 2022 veröffentlichte Referentenentwurf zum Energieeffizienzgesetz (EnEfG) sieht zudem vor, dass ab 2024 mindestens die Hälfte des Energiebedarfs in Rechenzentren durch Ökostrom gedeckt wird. Ab 2025 soll der Strom bereits zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen. Auch die Nutzung der Abwärme, die bei der Kühlung der Zentren entsteht, spielt in den Überlegungen des Gesetzesentwurfs eine bedeutende Rolle. So sollen größere Rechenzentren in Deutschland die Abwärme ab 2028 vollständig wiederverwenden müssen. Außerdem müssen Rechenzentren der zuständigen Kommune und dem Betreiber des nächsten Wärmenetzes mitteilen, wie viel Abwärme sie zu welchem Preis zur Verfügung stellen können.

Bereits in der Planungsphase für ein neues Rechenzentrum gilt es, auf Klimafreundlichkeit zu achten. Als geeigneter Startpunkt empfiehlt sich die Auswahl des Standortes“, sagt Jerome Evans, Managing Director Data Centers & Cloud des Digitaldienstleisters diva-e. „Besondere Bedeutung erhalten dabei die klimatischen Rahmenbedingungen, die unter optimalen Voraussetzungen eine natürliche Kühlung der Anlage begünstigen, sowie die Anbindung an die Grünstrom-Versorgung. Baustoffe sollten darüber hinaus eine lange Lebensdauer aufweisen und das Rechenzentrum beispielsweise durch eine optimale Fassadendämmung möglichst kühl halten.“ Auch die effiziente Nutzung der vorhandenen Flächen führt laut Evans dazu, dass für eine große Anzahl von Servern so wenig wie möglich Energie sowie Rohstoffe benötigt werden.

Der größte Energieschlucker im Rechenzentrum

Als größter Energieschlucker von vielen älteren Rechenzentren stellt sich nicht selten die Kühlungstechnik heraus“, betont Evans. Rechenzentren benötigen eine dauerhafte Kühlung, da heiß laufende Server zu folgenschweren Ausfällen führen können. „Hier braucht es ein modernes System, das mit wenig Strom effizient arbeitet. Eine bereits vielerorts angewendete Methode kann hier Abhilfe leisten – so bewährte sich schon an einigen Standorten die sogenannte direkte oder indirekte freie Kühlung, bei der sich die Temperatur der Server entweder direkt durch kältere Außenluft oder indirekt durch ein Wasser-Glykol-Gemisch und einen Wärmetauscher herunterkühlen lässt“, so Evans. Große Mengen an Abwärme lassen sich somit effizient nutzen, um die Klimabilanz des Datacenters deutlich aufzubessern.

Heizung für 350.000 Wohnungen

Wie viel Potenzial allein in der Abwärmenutzung steckt, hat der Branchenverband Bitkom in seiner aktuellen Studie „Rechenzentren in Deutschland“ dargelegt. Demnach könnten in Deutschland etwa 350.000 Wohnungen von Rechenzentren beheizt werden. Die Betonung liegt auf dem Konjunktiv, denn Fakt ist: 2021 nutzten nur fünf Prozent der deutschen Rechenzentren mehr als die Hälfte der entstehenden Abwärme, 68 Prozent gar keine. „Bisher scheitert die Abwärmenutzung aus Rechenzentren an fehlenden Abnehmern für die Wärme und an der Wirtschaftlichkeit. Vorhandene (ältere) Fernwärmenetze sind oft ungeeignet, Wärme auf niedrigem Temperaturniveau aus Rechenzentren aufzunehmen. Eine Förderung dieses Themenfeldes muss also eine Modernisierung der Wärmenetze beinhalten und auch daran ansetzen, Erzeuger der Abwärme und Nutzer der Abwärme zusammenzubringen“, heißt es in der Bitkom-Studie. Und weiter: „Außerdem können über Fördermaßnahmen zur Abwärmenutzung Abwärmeprojekte aus Rechenzentren wirtschaftlicher werden. Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in der Reduktion des Strompreises für den meist notwendigen Wärmepumpenbetrieb bei solchen Projekten.“

Ein Vorzeigebeispiel wird errichtet

Als Vorzeigebeispiel eines grünen Rechenzentrums, das auch an die Abwärmenutzung denkt, gilt das derzeit in Frankfurt in Bau befindliche Mainova WebHouse Datacenter. Laut Mainova-Vorstandsvorsitzende Constantin H. Alsheimer soll es zu einem der effizientesten und nachhaltigsten Rechenzentren der Stadt werden: „Die Gebäude weisen eine optimale Flächenausnutzung für eine hohe Rechenleistung pro Quadratmeter sowie eine ökologische Bauweise auf. Die Begrünung von Fassade und Außengelände trägt zur Isolation und Kühlung bei. Versorgt wird der Campus zu hundert Prozent mit Ökostrom. Darüber hinaus wird die Abwärme des Rechenzentrums als Heizenergie genutzt, nicht nur für eigene Büroflächen, sondern auch für Gebäude in der Nachbarschaft.“ Mit dem innovativen Projekt, das zusätzlich auf Mobilitätsangebote wie Elektroladesäulen oder Car- und Bikesharing für die Belegschaft setzt, werde ein neues Geschäftsmodell erschlossen. Im Frühjahr 2024 soll der Mainova Rechenzentrums-Campus bezugsfertig sein.

Belastung & Chance

Wie dringlich der Bedarf von energieeffizienten und umweltfreundlichen Maßnahmen beim Betrieb von Rechenzentren ist, zeigt sich in Deutschland am dynamisch wachsenden Markt. Aktuell gibt es etwas mehr als 3000 Datacenter mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung. Dazu kommen etwa 50.000 kleinere IT-Installationen und Rechenzentren, Tendenz steigend. Laut Bitcom-Studie werden die Kapazitäten der Rechenzentren in Deutschland bis zum Jahr 2025 gegenüber 2021 um über 20 Prozent ansteigen. Cloud-Computing wird sich bis dahin zum dominierenden Bereitstellungsmodell entwickeln und über 50 Prozent der Rechenzentrumskapazitäten ausmachen. „Die Digitalisierung nimmt so schnell zu, dass trotz erheblicher Effizienzverbesserungen ein weiterer Ausbau der Rechenzentrumsinfrastruktur und ein Anstieg des damit verbundenen Energiebedarfs notwendig waren und auch in Zukunft sein werden. Obwohl die Zahl der in Rechenzentren installierten Workloads pro verbrauchter Kilowattstunde Strom sich seit 2010 fast verfünffacht hat, benötigen Rechenzentren immer mehr Strom“, heißt es seitens des Borderstep-Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit, das in der Studie als Konsortialführer fungiert.

Borderstep-Experte Ralph Hintermann betont im Studien-Summary aber zugleich, dass die mit dem zusätzlichen Energiebedarf verbundene Leistungssteigerung der Rechenzentren auch enorme Chancen für Umwelt und Nachhaltigkeit bietet: „Das hat die Coronapandemie eindrucksvoll gezeigt. Der starke Anstieg der Nachfrage, z. B. in den Bereichen Videokonferenzen, Videostreaming und E-Commerce, konnte von den Rechenzentrums-Dienstleistern ohne große Schwierigkeiten abgefangen werden. Und die durch Videokonferenzen und Home-Office ermöglichten Einsparungen von Treibhausgasemission im Verkehr wurden ohne merklichen zusätzlichen Anstieg der Treibhausgasemissionen der Rechenzentren erreicht.“ Dieses plastische Beispiel dokumentiere laut Borderstep gut die Wechselbeziehungen zwischen dem Betrieb von Rechenzentren und Nachhaltigkeit: „Zwar erfordert der Betrieb Energie und Ressourcen – gleichzeitig sind Rechenzentren aber auch eine notwendige Voraussetzung dafür, dass viele Nachhaltigkeitsziele überhaupt erreicht werden können. Die in Rechenzentren laufenden digitalen Anwendungen ermöglichen nicht nur Einsparungen an Energie und Treibhausgasen in nahezu allen Lebens- und Arbeitsbereichen. Rechenzentren unterstützen auch eine ressourcenschonende Industrialisierung, fördern Innovationen und sind ein Teil einer nachhaltigen und widerstandsfähigen Infrastruktur.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.