Pizzicato

Die Fahrradgöttin ist gnadenvoll

Fotos aus Peking haben noch in den 1990ern auch so ausgesehen. Diesfalls ist es allerdings ein Radler-Event auf einer Stadtautobahn in Berlin.
Fotos aus Peking haben noch in den 1990ern auch so ausgesehen. Diesfalls ist es allerdings ein Radler-Event auf einer Stadtautobahn in Berlin.Imago / Martin Müller
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Bei Autofahrern sinkt das Hirn nach dem Starten des Motos schnell auf Halbmast, heißt es. Da ist was dran. Bei Radfahrern und Radfahrerinnen fällt es indes gern noch tiefer. Es gibt auch einen Grund dafür.

Jüngst war da der Typ auf dem Rad, der uns auf dem Gehsteig von hinten bedrängte und fast in die Waden fuhr; die radelnde Dame, der das Stoppschild offenbar wurscht war; es gibt in Wiener Neudorf diese Unterführung mit dem schmalen Fußweg, wo Radfahrer per Verkehrsschild gebeten werden, abzusteigen und das Rad zu schieben - kaum einer hält sich dran.

Und dann kam das: Ich im Auto vor einer T-Kreuzung, von links Kommende müssen momentan rechts, also an mir vorbei, abbiegen, weil im weiteren Straßenverlauf gleich vor ihnen und gut sichtbar eine Baustelle mit ausgeschildertem generellen Fahrverbot ist. Ampel wird grün, ich fahr los.

Und Notbremsung! Von links schießt nämlich ne Lady heran, radelt gradaus weiter und schnauzt mich an, samt netten Gesten mit der Hand. Super: Die hat jetzt tatsächlich drei StVO-Fliegen mit einer Klappe erschlagen: (1) Rechtsabbiege-Gebot missachtet; (2) Fahrverbot missachtet; (3) rote Ampel missachtet. Jubel! Das musst einmal schaffen.

Es heißt, dass bei vielen Autofahrern beim Starten des Motors das Hirn auf Halbmast sinkt. Da ist was dran. Bei RadlerInnen fällt das allerdings gern noch tiefer. Und warum? Weil man die meisten Verkehrsregeln (die Straßenverkehrsordnung ist immerhin ein Bundesgesetz und kein DIN-A4-Blatt mit Verhaltensempfehlungen eines Nachbarschaftsvereins) mit dem Fahrrad leichter und unauffälliger brechen kann als mit einem großen Ding! Mit dem Auto fährt sich‘s nicht so easy auf dem Gehsteig, dem Gehweg, gegen die Einbahn, über Rot, durchs Fahrverbot, durch die Fußgängerzone etc. Außerdem lässt man sich, einmal in Bewegung, im Tretfluss ungern unterbrechen. Und als Radfahrer fühlst dich ohnehin als der/die/das Gute und als Reiter auf dem fliegenden Teppich des veröffentlichten Zeitgeists.

Okay: Beim Radeln bin ich ja auch oft ein Böser. Die Sünde lockt. Aber solch weltliche StVO-Vergehen erlassen die Fahrradgöttin Bicicletta und ihre Cousinen Moralia und Klimaschutzia, die speziell in Wien angebetet werden, gegen eine kleine Buße – etwa in Form des Kaufs veganer Hühnerschnitzel und dreimonatigen Flugreiseverbots. Manche ersparen sich durch Letzteres sogar die Flugscham, harhar. (wg)

E-mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

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