Mein Dienstag

Ich dachte, es wäre für immer

Intensive Momente der Zweisamkeit können einem schon einmal den Atem rauben. Sie nicht zu überhöhen ist für manche Menschen beinahe unmöglich. 
Intensive Momente der Zweisamkeit können einem schon einmal den Atem rauben. Sie nicht zu überhöhen ist für manche Menschen beinahe unmöglich. Reuters / Yiannis Kourtoglou
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Die Fähigkeit zu abstrahieren hin oder her. Manche Erfahrungen müssen wohl zwingend selbst gemacht werden, um sie zu akzeptieren.

Es gibt da diese Szene in Pedro Almodóvars „Sprich mit ihr“ (2002). Marco (Darío Grandinetti) und Alicia (Leonor Watling) sitzen in einem Theater, sie ein paar Reihen hinter ihm. In einer Pause zuvor haben sie einander schon kurz kennengelernt. Sie fragt ihn, ob alles in Ordnung sei, nachdem ihr aufgefallen ist, wie sehr ihn das Stück emotional mitnimmt.

Marco dreht sich zurück zu ihr, sie erwidert den Blick – was dann passiert, ist pure Kinomagie: Während auf der Bühne zu melancholischer Musik getanzt wird, ist zu spüren, wie die beiden nicht mehr von der Erde, sondern voneinander angezogen werden.

In dieser Szene, ich erinnere mich ganz genau, hörte ich die Worte: „Was für ein großartiger Film ist das eigentlich?“ In jenem Moment wusste ich, es ist für immer. Die Art, wie sie es sagte . . . mit dieser Stimme, diesem Blick, dieser Ergriffenheit – es war so, als würde jemand exakt das sagen, was ich gerade denke.

Nun, es war doch nicht für immer. Diese und einige andere unvergessliche Situationen, in denen ich alles darauf gewettet hätte, dass unsere Verbindung nie endet, entpuppten sich als das, was sie von Anfang an waren: Augenblicke, die zwar perfekt sind, die aber verblassen können wie ein altes Foto in einer Holzkiste, und im Rückblick so traurig wirken wie ein leerer Swimmingpool im tiefsten Winter.

So richtig bewusst wurde mir das, als ich das Buch „Und ich dachte, es sei Liebe“ las. Mit Abschiedsbriefen von Frauen, die schildern, warum sie glaubten, ihre Liebe werde für immer halten. Und wie groß die Enttäuschung war, als es doch anders kam.

Besondere Momente maßlos zu überhöhen gehört wohl zu den Wesensmerkmalen von Menschen, die sich ohne Fallnetz auf eine Beziehung einlassen und, wie man so schön sagt, „all in“ gehen.

Dabei ist es ganz einfach: Abgesehen von ein paar Krankheiten wie etwa Herpesviren, die man nie wieder loswird, ist nichts für immer. Wirklich erstaunlich, dass es eine schmerzhafte persönliche Erfahrung braucht, um diese banale Wahrheit zu akzeptieren.

Und was das Fallnetz angeht: Nur blutige Anfänger gehen „all in“. Diese finale Erkenntnis ist jede noch so ernüchternde Erfahrung wert.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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