Replik auf Anna Goldenberg

Normaldenkende sind die Mitte, vor der sich keiner fürchten muss

Erstaunlich, welche Reaktionen es auslöst, wenn man klar macht, „die große Mehrheit der Normaldenkenden“ vertreten zu wollen.

Laut „Presse“-Kolumnistin Anna Goldenberg steht man damit ganz eindeutig „rechts“ („Die Presse“, 15. Juni) . Der Hausverstand sei „das Gegenteil von Wissenschaft“. In Sozialen Medien stellen sich manche die Frage „wer oder was ,Normaldenkende‘ sind?“ Darauf gebe ich gerne eine Antwort.

Wir leben in einer Zeit in der marxistische Träumereien von einigen als befruchtende Debattenbeiträge begrüßt und national-esoterische Verschwörungstheorien von anderen als querdenkende Aufklärung beklatscht werden. Das jedenfalls deckt sich nicht mit der Meinung der normaldenkenden Mitte der Bevölkerung. Die normaldenkenden Menschen, das sind diejenigen, die in der Früh aufstehen und zur Arbeit wollen : und nicht diejenigen, die sie dabei rücksichtslos behindern, indem sie sich an die Straße kleben.

Normaldenkende nehmen Rücksicht aufeinander, sie helfen gerne Schwächeren und wollen, dass wir das auch als Gesellschaft leisten – etwa mit gerechten sozialen Absicherungen. Die Normaldenkenden, das sind diejenigen, die sich und ihrer Familie durch Arbeit ein lebenswertes Leben schaffen wollen – und nicht diejenigen, die anderen ihr Eigentum wieder abnehmen und verteilen wollen. Die Normaldenkenden, das sind diejenigen, die sich in einer Pandemie an den Empfehlungen der Wissenschaftler orientieren und nicht an eine Verschwörung von Echsenmenschen glauben. Die Normaldenkenden, das sind diejenigen, die auf Andersdenkende und „Querdenkende“ dennoch zugehen und den Ausgleich suchen – und bitte gerne in einer verständlichen Sprache, ohne dabei einen gesteigerten Wert auf das Gendersternchen zu legen. Die Normaldenkenden, das ist sehr oft die schweigende Mehrheit. Diejenigen, die vom ganz rechten Rand als links und vom ganz linken Rand als rechts beschimpft werden. Eben die, die in der Mitte der Gesellschaft stehen.

Die Autorin

Johanna Mikl-Leitner (*1964) ist seit April 2017 Landeshauptfrau von Niederösterreich (ÖVP).

Es liegt im Wesen der niederösterreichischen Volkspartei, die Anliegen dieser breiten Mitte der Bevölkerung zu vertreten – und zwar sozial ausgewogen. Das ist das Wesen der Mitte – im Gegensatz zu den politischen Rändern. Dort findet jene Ausgrenzung statt, die die Autorin zu recht kritisiert, aber falsch adressiert. Wer die Anliegen der normaldenkenden breiten Mitte der Bevölkerung vertritt, der vertritt naturgemäß den Ausgleich und die Ausgewogenheit in der Gesellschaft und genau dafür steht die Volkspartei. Wer für Normaldenkende eintritt, der grenzt nicht andere aus, genau so wenig, wie familien- und kinderfreundliche Politik Menschen ohne Kinder ausgrenzt. Das ist absurd.

Eine Frage des Hausverstands

Ebenso wie die These, der Hausverstand stehe im Gegensatz zur Wissenschaft. Für die Mehrheit der Menschen ist es eine Frage des Hausverstands sich nicht mit Pferde-Entwurmungsmittel gegen Covid zu schützen. Ich denke, die Wissenschaft wird dem nicht widersprechen.

Es ist auch eine Frage des Hausverstands, dass wir keine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einführen – bei gleichzeitig rund 20.000 offenen Stellen alleine in Niederösterreich. Das würden viele Betriebe nicht überleben.

Und ich erachte es als Frage des Hausverstands, Wert auf die Verwendung der deutschen Sprache zu legen, als wichtigsten Faktor für eine erfolgreiche Integration.

Die Liste ließe sich lange fortführen. Aber die Antwort zur eingangs gestellten Frage ist klar: Die Normaldenkenden sind keine unbekannten Wesen. Sie sind die Mitte der Gesellschaft, vor der sich niemand fürchten muss.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2023)

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