175 Jahre „Die Presse“

Die verlorene Kunst des Kompromisses

Markus Scholz / dpa / picturedesk.com
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Niedergang. Moralisierende Linksideologen gegen Rechtspopulisten: Die Spaltung der Gesellschaft entwickelt sich zu einem ernsten Problem für die Wirtschaft – und gefährdet so die Klimawende.

Es gab in den Industriestaaten einmal eine Zeit der institutionalisierten Kompromissfindung. In Österreich besonders ausgeprägt durch die hierzulande praktizierte Form der Sozialpartnerschaft. Der grundsätzliche Gegensatz zwischen links und rechts, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen Lohnarbeit und Kapital, wenn man so will, war zwar nicht aufgehoben, aber die Akteure auf beiden Seiten wussten, dass man die andere Seite leben lassen musste – und handelten danach. Ziel war, bei allen Interessensunterschieden, der Kompromiss.

Das hatte zwar auch ein paar unschöne Begleiterscheinungen, etwa gelegentliche semidemokratische Hinterzimmerpackelei oder die Durchdringung aller Lebensbereiche durch die damaligen, die Sozialpartner dominierenden beiden Großparteien. Aber es war entscheidend für den sozialen Frieden und einer der wesentlichen Bausteine für das Wirtschafts- und Wohlstandswunder, das vor allem Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte.

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

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Jetzt ist das Geschichte: Was wir mit zunehmender Sorge erleben, ist eine gefährliche gesellschaftliche Polarisierung, die auch die Wirtschaft immer stärker negativ beeinflusst. Nicht mehr entlang der ursprünglichen Bruchlinie zwischen Lohnarbeit und Kapital, wie sie der damalige London-Korrespondent der „Presse“, Karl Marx, – was tut man nicht alles für ein bisschen kapitalistische Einkommensmaximierung, wenn einem das Geld anderer Leute ausgeht – im vorvorigen Jahrhundert so nachhaltig beschrieben hat. Sondern zwischen einer sich auf einem hohen moralischen Ross wähnenden linken urbanen Elite mit Anspruch auf absolute Wahrheit und einer immer größeren werdenden weniger privilegierten Gruppe, die sich von den selbstgerechten Moralisierern zunehmend bedrängt und bedroht fühlt – und ihr Heil im Rechtspopulismus à la FPÖ oder AfD sucht.

Die Mitte rinnt nach links und rechts aus

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