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Bildmanipulation: Wenn Fotos lügen

Der Papst ist ein Lieblingsobjekt für am Computer kreierte Bilder, dieses Mal ließ man ihn Basketball spielen.
Der Papst ist ein Lieblingsobjekt für am Computer kreierte Bilder, dieses Mal ließ man ihn Basketball spielen.Twitter
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Nachträgliche Veränderungen und manipulierte Fotos gibt es seit der Erfindung der Fotografie. Aber mit künstlicher Intelligenz ist es so leicht wie nie, Szenen zu kreieren, die es so nie gab.

Es ist ein beeindruckendes Foto, mit dem Paul Hansen 2012 den „World Press Photo“-Award gewann: Eine trauernde Menschenmenge in Gaza-Stadt, die zwei kleine Kinder, die bei einem israelischen Angriff ums Leben gekommen waren, eingewickelt in weiße Tücher durch eine Gasse trägt. Kaum wurde das Bild ausgezeichnet, begannen Diskussionen über die Authentizität. Denn das Licht, das die Gesichter der Menschen und der zwei toten Kinder erhellt, fällt seltsam: sowohl von der Seite als auch von vorn.

Manche vermuteten sofort eine Manipulation, diesen Moment habe es so nie gegeben, Hansen habe mehrere Bilder zu einem Bild zusammengesetzt. Zwei Forensiker untersuchten das Foto, sie fanden keinerlei Manipulation, aber man stellte eine sehr weitgehende Bildbearbeitung fest: Paul Hansen hatte in Photoshop die Gesichter der Kinder aufgehellt, damit sie auf der Aufnahme besser zu sehen sind. Deshalb die seltsamen Lichtverhältnisse.

Ist das Manipulation? Darf man auf einem Foto bestimmte Teile aufhellen und sie damit prominenter präsentieren? Hat man damit die Realität verändert oder hat man nur etwas so dargestellt, wie es möglicherweise das menschliche Auge sieht, der Film oder der Digitalsensor der Kamera es aber mangels Dynamikumfangs nicht festhalten kann?

Die Frage wurde leidenschaftlich diskutiert. Am Ende entschied die Jury des World Press Photo Award, dass Paul Hansen den Preis behalten darf. Das Bild sei zwar digital bearbeitet worden, der Fotograf habe aber nichts hinzugefügt oder wegretuschiert. An der Aussage des Fotos, das „sowohl den Zorn als auch den Schmerz der Menschen in ein starkes Verhältnis zur Unschuld der Kinder setzt“, wie es Jury-Mitglied Mayu Mohanna formulierte, ändere das nichts.

Die Debatte von damals wirkt heute fast lächerlich – in Zeiten, in denen man mit künstlicher Intelligenz (KI) eine Begräbnisszene wie jene in Gaza-Stadt in ein paar Minuten am Computer inszenieren kann. Die Erkenntnis „Fotos lügen nicht“ gilt nicht mehr, galt eigentlich nie. Wenn fotografiert wird, wird manipuliert. Sei es durch den Standpunkt des Fotografen – jeder kennt es von Urlaubsfotos, wenn man die Perspektive so wählt, dass die scheußliche Hotelanlage im Hintergrund nicht zu sehen ist –, sei es durch Inszenierung der Realität – am berühmtesten wohl im Fall der sowjetischen Fahne, die 1945 eigens für den Fotografen auf dem Berliner Reichstag gehisst wurde –, sei es durch die nachträgliche Bearbeitung des Bildes.

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