Sommerspiele Perchtoldsdorf

Don Quijotes verkopfte Abenteuer

Gregor Seberg als Don Quijote (links) und Lukas Spisser als Knappe Sancho Panza.
Gregor Seberg als Don Quijote (links) und Lukas Spisser als Knappe Sancho Panza.Lalo Jodlbauer
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Gregor Seberg als Ritter von der traurigen Gestalt und Lukas Spisser als dessen Bauern-Knappe ergänzen sich gut. Es gibt aber leider auch Längen.

Was für eine Kulisse, um sich in alte Zeit versetzen zu lassen! In mildes Licht getaucht, stehen hohe Steinmauern vor dem Publikum. Bald wird die Sonne untergehen, das Schauspiel beginnen. Der Winzerort Perchtoldsdorf nahe Wien hatte bereits unter den Babenbergern eine feste Burg, mit der man Invasoren trotzte. Heutzutage dient sie als Kulturstätte, und seit Donnerstag wird sie wieder von Scharen gestürmt, die bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf ein dramatisches Erlebnis suchen. Ihr neuer Intendant, Alexander Paul Kubelka, bringt „Don Quijote“ auf die Bühne.

Seit mehr als vierhundert Jahren haben bedeutende Geister diesen Roman des Spaniers Miguel de Cervantes Saavedra für den besten gehalten, der je geschrieben wurde. Er erzählt die Abenteuer eines „Ritters von der traurigen Gestalt“, der sich nach Lektüre von allzu vielen mittelalterlichen Aventiuren mit dem gewitzten Bauern Sancho Panza als Knappen aufmacht, um die Welt von Riesen und anderen Ungeheuern zu befreien. Vor allem aber, um die Gunst der edlen Dulcinea zu gewinnen, die in Wahrheit eine einfache Dirn‘ aus dem Nachbardorf ist.

Cervantes hält uns einen Spiegel vor

Dieses Gewebe von Schein und Sein, von Traum und Wirklichkeit ist von ungeheurer Raffinesse. Man kann den „Don Quijote“ als eine Parodie der Ritterzeit lesen, aber Cervantes meint viel mehr. Er hält dem Goldenen Zeitalter Spaniens schonungslos den Spiegel vor, und auch wir Spätere dürfen uns noch in den Karikaturen erkennen, die darin zu erblicken sind. Was hat Kubelka in seiner Inszenierung aus diesem voluminösen Meisterwerk gemacht, das Jakob Nolte (nach der deutschen Übersetzung von Susanne Lange) zu einem Stück verarbeitete? Eine sensible Seelenarbeit, mehr Psychoanalyse als Aktion, die man im Theater erwartet.

Wenn sich Gregor Seberg als Titelheld von Erlebnis zu Erlebnis fantasiert, entsteht bald der Eindruck, man befinde sich in seinem Kopf. Lukas Spisser als sein Knappe holt ihn und uns immer wieder in die raue Realität zurück. Doch selbst Sancho wird gelegentlich in Versuchung geführt, von Größe zu träumen, Herrscher eines ihm vom Ritter versprochen Eilands zu sein. Einmal fragt er sich, ob nicht er die Hauptfigur sei. Für die beiden Schauspieler kann man behaupten: Sie sind ebenbürtig. Spisser spielt einen extrem hilfreichen Diener. Er setzt an diesem zweieinhalb Stunden langen Abend viel in Bewegung, wirkt alerter als Seberg, der den Status als Publikumsliebling mächtig auskostet. Vor der Pause führt dieses Zelebrieren ähnlich ablaufender Szenen zu Längen. Danach findet das Duo wieder zur Hochform.

Max Tschida und Tobias Faulhammer begleiten das Spiel musikalisch einfühlsam und schräg. Als Traumbild Dulcinesas singt Clara Montocchio passend dazu. Surreal mutet das Bühnenbild an: Auf sanftem Hügel sind Requisiten verteilt, als hätten sich Kinder mit Spielzeug in einer gigantischen Sandkiste (samt Teich) ausgetobt – ein Schrank wird zum Ross Rosinante, ein Rad zum Esel, eine Scheibtruhe zur Rettung für den verletzten Ritter. Das Kinderkarussell steht wohl für die Windmühlen, gegen die Don Quijote anstürmt. Schließlich kippt ein schiefer Torturm um, ebenso wie ein Gefangenentransporter für die skurrilen Helden.

Harte Landungen im Hier nach so viel rückwärtsgewandter Utopie: Es rührt, wenn der Don am Ende – von seinen Illusionen vielleicht geheilt – behauptet, er könne sein, wer immer er wolle, ja, er sei glücklich. Er legt den Brustpanzer ab. „Lass uns heimgehen, Sancho“, sagt er. Die Nacht bricht an.

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