„Arbitrage“: Schuld ohne Sühne

(c) Myles Aronowitz / Polyfilm
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Richard Gere brilliert in Nicholas Jareckis souveränem Spielfilmdebüt „Arbitrage“ als Hedgefonds-Millionär à la Bernard Madoff: Sympathie für den Betrüger? Ab Freitag läuft der Film im Kino.

Der Mann lächelt, während er im Interview Reizwörter wie „Pleite“ und „Blase“ anbringt. Dann steigt er in den Jet zu seiner in Goldlicht gebadeten Villa, wo sein 60. Geburtstag gefeiert wird. Kaum hat er Frau und Tochter geküsst und die Gäste mit Bonmots erfreut, schleicht er weiter: Denn Robert Miller ist nicht nur Hedgefonds-Spezialist, sondern auch Lebemann – und will noch zu seiner französischen Geliebten, die aussieht wie Laetitia Casta.

Die wird auch von Laetitia Casta gespielt – und sorgt für ungeahnte Schwierigkeiten: Denn als Miller sie nachts auf einen Versöhnungstrip ausführt, schläft er am Steuer ein. Es kommt zum Autounfall, sie stirbt sofort. Er überlebt und verwischt seine Spuren, denn schlechte Publicity kann Miller jetzt nicht brauchen. Es gibt nämlich ein anderes Problem: Seine Firma steht vor dem Verkauf, und die Bücher sind frisiert. Mit 400 Millionen Dollar, rasch geborgt für einen Mann seines Formats: das gewinnende Lächeln, das makellose Auftreten, die selbstbewusste Eleganz. Ein Mann wie Robert Miller weckt Vertrauen, egal wie verlogen seine Winkelzüge. Das hat ein Luxusleben lang genügt. Soll er sich nun etwa von einem dahergelaufenen Ermittler (Tim Roth wandelt auf „Columbo“-Spuren) düpieren lassen?

Soweit die Ausgangsposition von Nicholas Jareckis souveränem Spielfilmdebüt „Arbitrage“, das auf zwei Vorteile baut. Erstens die Umkehr von Hitchcocks liebstem Thriller-Prinzip, das der Master of Suspense so beschrieb: „Ein Unschuldiger wird aus falschen Gründen angeklagt.“ Bei Jarecki wird ein Schuldiger aus den richtigen Gründen verfolgt, doch gemäß klassischer Kinodramaturgie bleibt er Identifikationsfigur. Dass das funktioniert, verdankt sich dem zweiten großen Vorteil des Films: Richard Gere.

Ein Mann, der keine Beschränkung kennt

Als bloßer Schönling ist Gere gern unterschätzt worden, auch wenn seinen besten Rollen – nicht nur seinem unvergesslich hinterhältigen Cop in „Internal Affairs“ – immer etwas Beunruhigendes anhaftete: Der glatte Finanzmann Robert Miller ist eine famose Altersrolle für den nunmehr 63-jährigen Hollywoodstar. Sein geschmeidiger Gang ist das Zentrum des Films: Gere manövriert sich wie ein Panther von einer schwierigen Situation zur Nächsten, mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der keine Beschränkungen akzeptiert – oder kennt. Bald nach Filmbeginn zeigt Millers Tochter ihrem Vater ein „Forbes“-Magazin mit ihm auf dem Cover: Doch der macht nur eine Handbewegung, wie um die lästige Bewunderung wegzuwischen. Robert Miller protzt nicht mit seinem Reichtum, er verkörpert ihn.

Als revisionistischer Thriller mit amoralischem Zentrum ist „Arbitrage“ zwar nicht so virtuos wie zuletzt Jaume Balaguerós ähnlich angelegte Misanthropen-Studie „Sleep Tight“, auch weil er seinen bösen Suspense – Wird Miller der sich zuziehenden Schlinge entkommen? – mit Hollywood-typischem Charakterdrama kreuzt. Aber dafür weiß der Regisseur sichtlich, wovon er erzählt: Nicholas, übrigens Bruder der Dokumentaristen Eugene Jarecki („Angeklagt: Henry Kissinger“) und Andrew Jarecki („Capturing the Friedmans“), ist Sohn des Investors Henry Jarecki. Sowohl die Präsentation der Welt der Superreichen wie die Finanzdialoge mit ihren Insider-Wendungen überzeugen.

In der Welle von rezenten Filmen, die sich der Finanzkrise widmen – von der „Wall Street“-Fortsetzung bis zu „Cosmopolis“ – kommt „Arbitrage“ bemerkenswert beiläufig daher: Miller ist deutlich von Bernard Madoff inspiriert, aber statt auf polemische Erregung zu setzen, zieht Jarecki einfach Bilanz. Das emblematische Bild ist Gere nach dem Unfall: angeschlagen, aber virtuos darin, es sich nicht anmerken zu lassen. Das rechte Erscheinungsbild genügt – Vertrauen ist alles. Gordon Gekkos legendärer Spruch „Gier ist gut“ wäre Miller in seiner Direktheit viel zu vulgär. Er steht für eine Klasse, die ihre Privilegien skrupellos nutzt und nicht darüber spricht. Und auch wenn Millers Frau (Susan Sarandon) ein unerwartetes Ende herbeiführt, an der Oberfläche ändert sich nichts. Nur Gere suggeriert subtil eine Verschiebung im Innern. Ohne Folgen für die Welt: Letztlich erzählt „Arbitrage“ ganz direkt von einer Kaste von Finanziers, die bewusst betrügen – im Wissen, dass sie immer davonkommen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2013)

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