Junge Forschung

Der Darm in der Petrischale

Julian Schwärzler will jene Patientinnen und Patienten identifizieren, die von einer Ernährung mit wenig ungesättigten Fettsäuren profitieren würden.
Julian Schwärzler will jene Patientinnen und Patienten identifizieren, die von einer Ernährung mit wenig ungesättigten Fettsäuren profitieren würden.Thomas Böhm
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Mit organähnlichen Mikrostrukturen in 3–D will Julian Schwärzler neue Erkenntnisse zu entzündlichen Darmerkrankungen finden. Eine Basis für gezieltere Therapien.

Ich bin da hineingerutscht und es hat mich einfach gepackt!“, sagt der Mediziner Julian Schwärzler über seine Forschung an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED). „Es ist ein extrem spannendes Feld, weil man noch nicht im Detail versteht, wie diese komplexen Erkrankungen entstehen.“

Schwärzler untersucht an der Med-Uni Innsbruck den Einfluss von Umweltfaktoren auf die Entstehung von entzündlichen Darmerkrankungen. Denn obwohl diese zu den genetisch am besten untersuchten Erkrankungen zählen, ist nicht bekannt, welche Faktoren sie auslösen. „Jeder Mensch trägt wahrscheinlich viele der circa 250 genetischen Risikofaktoren in sich, aber nicht jeder hat eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung“, sagt der 30-Jährige.

Westliche Diät im Visier

Allerdings sind in Österreich 27.000 Menschen von der bekanntesten CED, Morbus Crohn, betroffen – Tendenz steigend. Auch weltweit gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Fälle der Krankheit, die durch Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen gekennzeichnet ist. „Es wird ein Zusammenhang mit einer westlichen Diät vermutet, die unter anderem durch hohen Nahrungskonsum mit vielen Fetten definiert ist“, erklärt der Wissenschaftler.

Schon in der Vergangenheit konnte der Einfluss des Lebensstils auf die Entwicklung der Erkrankungen in Studien nachgewiesen werden: „Es wurde zum Beispiel gezeigt, dass Rauchen mit der Entstehung von Morbus Crohn assoziiert ist. Aber speziell für Nahrungsbestandteile gibt es noch sehr wenig Evidenz.“ Die Forschenden in Innsbruck haben hier Pionierarbeit geleistet.

„Wir haben mit Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren erstmals nichttoxische Nahrungsbestandteile identifiziert, die Entzündungen im Darm hervorrufen können“, sagt Schwärzler. Weil diese ungesättigten Fettsäuren anfällig für oxidative Prozesse sind, hat der Körper mit dem Enzym Glutathion-Peroxidase-4 (GPX4) einen Schutzmechanismus gegen die Oxidation. „Der Konsum dieser Fettsäuren per se löst keine Entzündungen aus, sondern nur in Kombination mit Unterfunktion des Enzyms GPX4.“

»Jeder trägt viele genetische Risikofaktoren in sich, aber nicht jeder hat eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung.«

Julian Schwärzler

Mediziner

Dass die neuen Erkenntnisse anfangs auf Stirnrunzeln gestoßen sind, liegt am guten Image von Omega-3. „In der Bevölkerung herrscht immer noch die Meinung, dass ungesättigte Omega-3-Fettsäuren insbesondere für kardiovaskuläre Erkrankungen schützend wirken, ein Dogma, das allerdings auch gerade heiß debattiert wird“, berichtet der Mediziner.

Für CED-Patientinnen und -Patienten widerlegten Schwärzler und sein Team jedenfalls eine positive Wirkung auch im Mausmodell. „Wir wollen nun unsere Erkenntnisse auf Patienten ummünzen und verwenden dazu Darmepithel-Organoide. Dazu werden Stammzellen aus dem Darm von Patienten isoliert und in der Petrischale die Architektur des Darms nachgebildet. Mit diesem Ansatz wollen wir Patienten identifizieren, die potenziell von einer Ernährung mit wenig ungesättigten Fettsäuren profitieren würden.“

Im Labor und am Rennrad

Aktuell sei es eine Herausforderung, die Erkenntnisse einzuordnen und einen roten Faden zu finden, um diese hochkomplexe Erkrankung in Untergruppen, je nachdem wie sie hervorgerufen wird, einzuteilen. Eine Voraussetzung, um sie dann in Zukunft spezifisch behandeln zu können. Für seine Arbeit wurde Schwärzler bereits mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Forschungspreis des Fürstentums Liechtenstein. „Dieser Preis ist eine schöne Wertschätzung für meine Arbeit der letzten Jahre.“

Bei seiner Familie in der Heimat im Bregenzerwald holt sich der Assistenzarzt, der seine Freizeit gern in der Natur und beim Rennradfahren verbringt, immer wieder neue Energie, um sich weiter der Forschung widmen zu können. Sein Ziel: „Wir wollen verstehen, welche Nahrungsbestandteile Entzündungen im Darm hervorrufen, damit wir den Patienten in Zukunft hoffentlich eine Ernährungsempfehlung geben können.“

Zur Person

Julian Schwärzler (30) forscht an der Med-Uni Innsbruck an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Im Rahmen seines PhD-Studiums untersuchte der Vorarlberger den Einfluss von Umweltfaktoren auf diese Erkrankungen. Kürzlich erhielt er den Preis des Fürstentums Liechtenstein für wissenschaftliche Forschung.

Alle Beiträge unter: diepresse.com/jungeforschung

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