Teuerung

Mehr Privatinsolvenzen wegen hoher Inflation befürchtet

Die Gründe für das Abgleiten in Privatinsolvenz sind vielfältig. Experten sind sich jedoch einig, dass die steigenden Kosten in allen Lebensbereichen bald mehr ins Gewicht fallen dürften. 
Die Gründe für das Abgleiten in Privatinsolvenz sind vielfältig. Experten sind sich jedoch einig, dass die steigenden Kosten in allen Lebensbereichen bald mehr ins Gewicht fallen dürften. Bloomberg/Lisi Niesner
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Gläubigerschützer und Schuldnerberatungen sind sich einig, dass die steigenden Kosten in der Insolvenzstatistik schon bald mehr ins Gewicht fallen dürften.

Die Gründe für das Abgleiten in Privatinsolvenz sind vielfältig. Gläubigerschützer und Schuldnerberatungen haben einen unterschiedlichen Blick auf die Ursachen. Relativ einig sind sich beide Seiten, dass die steigenden Kosten in allen Lebensbereichen bald mehr ins Gewicht fallen dürften. Das geht aus Angaben des KSV1870 und Ausführungen des Geschäftsführers der ASB Schuldnerberatungen, Clemens Mitterlehner, vom Donnerstag hervor. Bei anderen Ursachen ist man nicht so einig.

Laut der am Donnerstag veröffentlichten Erhebung des Kreditschutzverbands KSV1870 ist der Hauptgrund fürs Abgleiten in die Pleite mit 28,1 Prozent „persönliches Verschulden“, hieß es am Donnerstag in einer Aussendung. Der Kreditschutzverband hat 6000 Privatkonkurse im Vorjahr analysiert. Die Zahl war 2022 gegenüber 2021 um 13 Prozent auf knapp 8200 gestiegen, lag aber noch unter dem Vor-Corona-Niveau.

Weitere häufig erhobene Ursachen seien „ehemalige Selbstständigkeit“ (26,7 Prozent), eine „konsequente und über einen längeren Zeitraum anhaltende Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit“ (19,3 Prozent) sowie „Einkommensreduktion“ (17,2 Prozent), darunter „Arbeitslosigkeit“ (14,4 Prozent). Der Faktor „Lebenskrisen“ trägt laut KSV mit 13,3 Prozent zu den Privatpleiten bei - darunter finden sich etwa Scheidungen (5,9 Prozent). Sonstige Schicksalsschläge (5,5 Prozent) wie etwa chronische Erkrankungen seien auch von Bedeutung.

Folgen Coronakrise fallen kaum ins Gewicht

„Auch wenn sich das Konsumverhalten im Vergleich zu früher etwas verbessert hat, ist nach wie vor rund jede vierte Pleite im Privatbereich auf den falschen Umgang mit den eigenen finanziellen Ressourcen zurückzuführen“, so KSV1870-Experte Karl-Heinz Götze via Aussendung. „Das hat aber weniger mit Corona oder den steigenden Kosten zu tun, denn dieses Verhalten war bereits vor den Krisenjahren erkennbar.“ Folgen der Coronakrise hingegen „fallen kaum ins Gewicht“ (1,2 Prozent).

Ein Privatkonkurs entsteht zumeist über einen längeren Zeitraum. Die Inflation könnte bald ein größerer Faktor werden, fürs Vorjahr war sie laut KSV noch nicht gewichtig. Jetzt aber stehe die finanzielle Stabilität der Menschen in Österreich aufgrund der mittlerweile seit mehr als einem Jahr anhaltenden Kostensteigerungen mehr denn je auf dem Prüfstand. „Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vieler privater Haushalte hat sich zuletzt aufgrund von Preissteigerungen und der Inflation massiv verändert“, so Götze. „Wenn man daher eine gewisse zeitliche Verzögerung einkalkuliert, kann es durchaus sein, dass es in der nächsten Ursachenstatistik zu Verschiebungen kommt.“

„Mehr Menschen denn je in finanzieller Schieflage“

„Es sind sicher mehr Menschen denn je wegen der Teuerung jetzt in einer finanziellen Schieflage“, sagte auch Schuldnerberater Mitterlehner am Donnerstag. Er warnt davor, dass die Folgen der Teuerungskrise noch länger zu spüren sein werden als es bis zum Abflauen der Inflation dauere.

Darüber hinaus ist die Sicht auf die Dinge eine andere wie bei den Gläubigerschützern: „Die Hauptgründe für Überschuldungssituationen und Privatkonkurse sind Einkommensverminderungen - Stichwort Auskommen mit dem Einkommen“, so Mitterlehner. „Arbeitslosigkeit ist ein ganz wichtiger Punkt, denn die Nettoersatzrate liegt nur bei 55 Prozent.“ Unter den Menschen im Privatkonkurs befänden sich fünf bis sechs Mal so viele Arbeitslose wie in der Gesamtbevölkerung.

Dass Gläubigerschützer „persönliches Verschulden“ zuoberst erheben, führt der Schuldenberater auf einen „unterschiedlichen Fokus“ zurück und fragt: „Wo beginnt und wo endet persönliches Verschulden?“ Der Begriff sei sehr dehnbar. Zum Gewicht der Corona-Folgepleiten bei Privaten sagte Mitterlehner, dass 2022 bei den Schuldnerberatungen 14 Prozent Corona oder Folgen daraus Hauptgrund für ihre Privatpleite nannten.

Immer mehr Menschen können sich Privatkonkurs nicht leisten

Immer öfter geschehe es, dass sich Menschen den Privatkonkurs nicht leisten könnten, sagte Mitterlehner. Weil das Existenzminimum von 1110,26 Euro (auf das gepfändet wird, Anm.) zu gering bemessen sei, würden weiter Schulden angehäuft und die Situation so immer schlimmer.

Die Zahl der Privatkonkurse befand sich auch heuer zum Halbjahr im Plus, aber unter Vor-Corona-Niveau 2019. Das zeigte erst die gestern veröffentlichte Statistik des Alpenländischen Kreditorenverbandes (AKV). Mit 4547 Privatpleiten gab es ein Plus von 5,18 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Trotz der inzwischen erfolgten Erleichterungen bei den Entschuldungen lag der Wert deutlich unter der Zahl von 5.066 anno 2019.

Der KSV forderte heute im Rahmen der Veröffentlichung seiner Analyse vor allem mit dem Verweis der geringen Auswirkungen von Corona als Privatinsolvenzursache eine Rückkehr zu älteren Regeln, vor allem der Wiedereinführung einer Entschuldungsdauer von fünf Jahren - diese wurde auf drei abgesenkt. Die neuesten Regeln sind bis 2026 befristet und sollen zeitgerecht evaluiert werden.

„Die aktuelle Regelung muss bleiben“, sagte hingegen Mitterlehner. Da die EU ohnehin vorschreibe, dass die Entschuldungsdauer für ehemalige Unternehmer drei Jahre dauern müsse, käme es aus seiner Sicht zu einer anfechtbaren Ungleichbehandlung von privatinsolventen Nicht-Ex-Unternehmern, würde man für diese auf fünf Jahre steigern. Und: „Auch Gesellschaft und Wirt können nicht wollen, dass mitten in der Aufarbeitung der Teuerungs- und Coronakrise Konkursregeln für Private verschärft werden.“

(APA)

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