Neurowissenschaft

Schwer kranke Kinder lernen Musizieren

Musik kann für Kinder in Langzeitbehandlung Türen öffnen, nicht nur in der Therapie.
Musik kann für Kinder in Langzeitbehandlung Türen öffnen, nicht nur in der Therapie.BSIP/Universal Images Group via Getty Images
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An der Kinder- und Jugendklinik am AKH Wien erproben Forschende aus Neuro- und Musikwissenschaft ein neues Konzept für den Einsatz von Musik im Krankenhaus. Der Clou: Es geht über die klassische Therapieform hinaus.

Der sechsjährige Bub – nennen wir ihn Nehad – hat sich die Veeh-Harfe ausgesucht, ein Instrument, für das keine Notenkenntnis gebraucht wird. Gezupft wird angeleitet von einer Schablone, die zwischen Saiten und Resonanzkörper klemmt. Am Programm steht auf seinen Wunsch hin „Wenn ich ein Vöglein wär“. Die notwendige Konzentration beim Spielen auf der Harfe aufzubringen, kostet Nehad viel Kraft. Kein Wunder. Er ist schwer krank und hat eine künstliche Öffnung an der Luftröhre (Tracheostoma).

Seit zwei Monaten wird das Kind nun schon im AKH Wien stationär behandelt, ohne Tracheostoma könnte es nicht selbstständig atmen. Die Musikstunde ist das Highlight des Tages, vielleicht sogar der Woche. In dieser Einheit ist Nehads Enthusiasmus so groß, dass er erstmals beginnt, Laute von sich zu geben, die Worten ähneln.

Mehr als Musiktherapie

„Die Musik macht Sachen möglich, die ich mich als Wissenschaftler kaum traue zu erzählen“, kommentiert das Vito Giordano. Der Neurowissenschaftler und Psychologe, der an der Med-Uni Wien und am AKH Wien unter anderem zu klinischen und umweltbedingten Faktoren der Gehirnentwicklung von Frühgeborenen forscht, hat den Anstoß für die Musizierwerkstatt „Your Smile“ am Comprehensive Center for Pediatrics (CCP) von Med-Uni und AKH gegeben, die auch Nehad besucht. Das an Kinder und Jugendliche in Langzeitbehandlung adressierte Projekt integriert im Unterschied zur klassischen Musiktherapie didaktisch-pädagogische, kommunikative, kreative und interaktive Aspekte. Und: Der Spaß soll nicht zu kurz kommen. Giordano erlebt dabei regelmäßig Episoden, die ihn nachdenklich machen und denen er als Forscher auf die Spur kommen möchte. „Musizieren ist eine gute Übung für das Zusammenspiel des Sehens und des Bewegungsapparates etwa für Kinder mit Lähmungen oder Einschränkungen aufgrund eines Tumors“, sagt er. „Man benutzt verschiedene Gegenstände, muss sich Sachen merken und kann Neues lernen.“

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