Nachruf

Bennett: Der letzte große Stilbotschafter ist gestorben

In der Nachfolge von Frank Sinatra: Tony Bennett
In der Nachfolge von Frank Sinatra: Tony Bennett Imago
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Der große Balladensänger Tony ­Bennett starb kurz vor seinem 97. Geburtstag. Zuletzt feierte er Erfolge mit Amy Winehouse und Lady Gaga.

Der ganz große Erfolg kam erst, als seine Stimme einigermaßen lädiert war. In jungen Jahren war sie von recht unauffälliger Aura. Dann, so etwa ab den Neunzigern, kratzte charismatisches Krächzen in den Lack seiner Jungmännerstimme. Ab da wurde Tony Bennett interessant. Nicht zuletzt für jüngere Hörer. Er wäre sein „favorite saloon singer“ verlautete einst Frank Sinatra, der gleichfalls der italoamerikanischen Subkultur entstammte.

Ein Kompliment, das doch ein wenig Gift enthielt. Der elf Jahre vor Bennett geborene König der Songstilisten duldete Kronprinzen nicht wirklich. An die großen, aus bitteren Erfahrungen schöpfenden Liedinterpreten afroamerikanischer Provenienz wie etwa Johnny Hartman oder Jimmy Scott reichte Bennett, dieser Sohn eines biederen Lebensmittelhändlers aus Queens, sowieso nie heran. Mit ihnen wollte er sich aber gar nicht messen. Im Gegenteil.

Bennetts Frühwerk war von einem Gestus der Lässigkeit geprägt. Mit Liedern wie „I Left My Heart in San Francisco” und „Rags to Riches” erreichte er früh das Mainstreampublikum. Seine gut dahin­swingende Karriere stockte zu Beginn der Siebzigerjahre, als er seichte Alben wie „Love Story“ veröffentlichte. Viel Respekt wurde ihm hingegen zuteil, als er 1975 mit dem intellektuellen Pianisten Bill Evans ins Studio ging.

Sinatra blieb stets Vorbild

Sinatra blieb stets sein Leitstern. Der hatte einmal postuliert, dass ein Mann immer passend zum Nachthimmel gekleidet sein soll. Daran hat sich Bennett ein Leben lang gehalten. Seine eleganten Anzüge waren in den Farben Mattschwarz oder Mitternachtsblau gehalten. Bennett war der letzte Botschafter einer Generation, die großen Wert auf Stil gelegt hat. Stil war sein zweiter Vorname. Der Dresscode Black Tie galt gerade auch, wenn der Alkohol zu fließen begann. Ein Mann wie Bennett kommunizierte zudem mit Krawattennadeln, Stecktüchern und Manschettenknöpfen. Heutige Crooner zeigen sich mitunter auch in kurzen Hosen. Undenkbar für Bennett.

Eine seiner Paradenummern war „The Good Life“, ein Lied, in dem das lange, nicht immer gute Leben beschworen wird, das es anzunehmen galt. „It’s the good life to be free and explore the unknown, like the heartaches when you ­learn you must face them alone.“ Bennett hat „The Good Life“ 1962, einige Jahre vor Sinatra, aufgenommen. Ein kleiner Triumph. Höchst erfolgreich waren auch seine Duette der letzten Jahre. Mit Amy ­Winehouse erreichte er mit der Single „Body And Soul“ 2011 einen Spitzenplatz der US-Charts; mit Lady Gaga und Diana Krall nahm er fantastische Alben auf, die junges Publikum entzückten. Jetzt starb Bennett kurz vor dem 97. Geburtstag. Das gute Leben, er hatte es. Acht Jahrzehnte Karriere sind nicht vielen gegönnt.

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