Niger

Jetzt schließt sich auch Generalstabschef den Putschisten an

Die Armee im Niger verkündete eine Grenzschließung und eine Ausgangssperre.
Die Armee im Niger verkündete eine Grenzschließung und eine Ausgangssperre.APA / AFP / -
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Soldaten hatten zuvor den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum festgesetzt und die Republik im Staatsfernsehen für aufgelöst erklärt. Ein Umsturz in einem der ärmsten Länder der Welt hätte weitreichende Folgen.

Der Generalstab der nigrischen Armee will nach eigenen Angaben „die Erklärung“ der Putschisten „unterschreiben“ und damit „das Regime“ von Präsident Mohamed Bazoum „beenden“. Die Armeeführung habe „beschlossen, sich der Erklärung der (...) Sicherheitskräfte anzuschließen, um „eine mörderische Konfrontation zwischen verschiedenen Kräften zu vermeiden“, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung von Generalstabschef Abdou Sidikou Issa.

Im Niger hatte der vobgesetzte Präsident Mohamed Bazoum die Bevölkerung zuvor aufgerufen, die Errungenschaften der Demokratie zu retten. Dafür würden die Menschen, die die Demokratie lieben, sorgen, schrieb er am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Am Mittwoch hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, Präsident Bazoum in der Hauptstadt Niamey festgesetzt und den Zugang zum Präsidentenpalast und mehreren Ministerien gesperrt.

Nigers Außenminister Hassoumi Massoudou rief die meuternden Militärangehörigen unterdessen auf, Präsident Bazoum freizulassen und ihre Forderungen im Dialog zu klären. Dem französischen Nachrichtensender France 24 sagte der Minister am Donnerstag: „Wir sind die legalen und legitimierten Autoritäten in Niger.“ Er habe außerdem mit Bazoum gesprochen und erklärte dazu, dass es dem Präsidenten gut gehe.

Mehrere Offiziere um Oberst Amadou Abdramane hatten am späten Mittwochabend im staatlichen Fernsehen erklärt, der Präsident sei abgesetzt. Die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten beschlossen, „dem Regime, das Sie kennen, wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage und der schlechten Regierungsführung, ein Ende zu setzen“, sagte Abdramane an die Zuschauerinnen und Zuschauer gerichtet. Die Grenzen des Landes seien geschlossen worden. Zudem seien eine landesweite Ausgangssperre verhängt und alle Institutionen der Republik suspendiert worden.

Präsident Mohamed Bazoum sitzt im Präsidentenpalast fest.
Präsident Mohamed Bazoum sitzt im Präsidentenpalast fest.Reuters / Temilade Adelaja

Niger: Westlicher Verbündeter im Kampf gegen Dschihadisten

Ein Umsturz hätte weitreichende Folgen. Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt. Der Niger war nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde, und damit ein wichtiger Partner der USA und der EU im Kampf gegen wachsende Instabilität in der Region. Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission im Niger beschlossen, um den Terrorismus in der Region zu bekämpfen.

Der Niger ist in den vergangenen Jahren in den Mittelpunkt der westlichen Bemühungen gerückt, dem gewaltsamen Vormarsch der Dschihadisten in Westafrika und auch einem wachsenden militärischen Einfluss von Russland entgegenzuwirken. Putsche in den benachbarten Ländern Mali und Burkina Faso seit 2020 gingen mit einer Abwendung von europäischen Partnern und zuletzt der Forderung nach Abzug der UN-Friedensmission zur Stabilisierung Malis einher. Das Dreiländereck wird seit Jahren von Gruppen terrorisiert, die den Terrormilizen Al-Kaida und IS anhängen. Die Sicherheitslage verschlimmert sich zunehmend und bedroht auch bisher stabile angrenzende Staaten.

Erster friedliche Machtwechsel seit 1960

Bazoums Amtseinführung im April 2021 war der erste friedliche demokratische Machtwechsel im Land seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 - wenige Tage vorher kam es noch zu einem Putschversuch, den die Präsidentengarde verhinderte. Bazoum diente unter seinem Vorgänger Mahamadou Issoufou seit 2011 als Außen- und Innenminister, bis er zur Nachfolge des nach zwei Amtszeiten ausgeschiedenen Issoufou antrat und mit rund 56 Prozent der Stimmen gewann. Issoufou behielt viel Einfluss. Beobachter vermuteten als möglichen Hintergrund auch einen Kampf um Einfluss in Niamey.

Die Ereignisse zeigten die Fragilität des Landes, sagte der Regionalbüroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Sahelzone, Ulf Laessing, der Deutschen Presse-Agentur. „Deutschland und Europa haben Millionensummen in Niger investiert von Militär- bis Entwicklungszusammenarbeit. Die Hilfsprogramme wecken auch Begehrlichkeiten.“ Laessing fügte hinzu: „Ein Coup kann alles ändern und würde auch Russland die Tür öffnen, sich breitzumachen.“

Scharfe Kritik an Vorgängen

International riefen die Vorgänge noch vor dem Verkündung im Fernsehen scharfe Verurteilungen hervor. Unter anderem die Vereinten Nationen, die EU, die USA und die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas forderten eine Freilassung Bazoums und die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung. Den Informationen der EU zufolge liefen noch am Mittwochabend Verhandlungen mit den Putschisten.

„Ob es sich technisch gesehen um einen Staatsstreich handelt oder nicht, kann ich nicht sagen, das müssen die Juristen entscheiden, aber es handelt sich eindeutig um einen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen und die Verfassung zu stören“, sagte US-Außenminister Anthony Blinken auf einer Pressekonferenz in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington.

„Wir verurteilen jeglichen Versuch, die Macht mit Gewalt zu ergreifen“, so Blinken weiter. Die USA seien in Kontakt mit der Regierung des Nigers sowie mit ihren Partnern. Es gebe Bemühungen, die Situation friedlich zu lösen. Erst bei einem Telefonat mit Bazoum habe er klargemacht, dass die USA diesen als den demokratisch gewählten Präsidenten des Nigers unterstützten.

Nach Angaben von EU-Diplomaten sprachen auch EU-Chefdiplomat Borrell und EU-Ratspräsident Charles Michel am Mittwoch zweimal mit Bazoum, der demnach bis zuletzt mit seiner Familie in seiner Residenz war. Auch UNO-Generalsekretär António Guterres sprach mit dem Präsidenten, wie ein Sprecher auf Twitter mitteilte.

(APA/dpa/Reuters)

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