Der Temperatur angepasst

Temperatur angepasst
Temperatur angepasst c Erwin Wodicka
  • Drucken

Messungen der Atmung und Körpertemperatur von Insekten zeigen, welche Arten in wärmeren oder kälteren Gebieten beste Überlebenschancen haben.

Den Einfluss der Temperatur auf unseren eigenen Organismus bemerken wir an besonders kalten Wintertagen und in der besonders heißen Sommerzeit. Wie muss es da erst Insekten ergehen, die ihre Körpertemperatur nicht konstant halten können und wegen ihrer geringen Körpergröße sehr schnell die wechselnde Temperatur der Umgebung annehmen („ektotherm“). Die Zoologie der Uni Graz kümmert sich schon lange um die Temperatur von Insekten.

Anton Stabentheiner hat die Methodik mit Infrarot-Wärmebildkameras optimiert und sich u.a. auf den Wärmehaushalt von Bienen und Wespen spezialisiert. Durch die Tätigkeit ihrer Flugmuskulatur und das Regeln der Atmung können diese Insekten nämlich recht gut ihre Körpertemperatur regulieren („endotherme“ Insekten). Eine futtersuchende Biene hält ihre Temperatur – egal, ob sie in Sonnenlicht oder im Schatten an der Blume nascht – zwischen 37 und 41 Grad Celsius.

In einem aktuellen FWF-Projekt wollen die Grazer Zoologen nun einen Vergleich über verschiedenste Insektenarten ziehen, um herauszufinden, ab welcher und bis zu welcher Temperatur deren Atmung funktioniert und wie ihr Energiehaushalt mit der Außentemperatur zusammenhängt. „Die Temperatur – sowohl das Jahresmittel als auch die mikroklimatischen Extreme – beeinflusst direkt die biochemischen und physiologischen Prozesse der Individuen“, sagt Helmut Kovac, der gemeinsam mit Stabentheiner und Helmut Käfer das Projekt leitet.

Jede Tierart hat ihre eigenen Toleranzbereiche, somit ist die Außentemperatur für das Überleben und die Fitness ausschlaggebend. „Daher kann man erst mit dem Wissen um thermische Toleranzbereiche die Ökologie, Evolution und die Verbreitung der Arten verstehen. Wir wollen nun wissen, wie die gestiegenen Temperaturen des globalen Klimawandels auf einheimische und auf eingewanderte Insekten wirken“, so Kovac.

Dafür eignet sich der Raum Steiermark bzw. Österreich sehr gut: „Im Alpenraum liegen vielfältige Übergangszonen zwischen warmen südlichen und kühlen nördlichen – bzw. alpinen – Lebensbereichen, und wir beobachten, dass Tierarten von Süden nach Norden bzw. in höhere alpine Lagen einwandern.“ Zur Abschätzung der Auswirkung von Klimaveränderungen genüge es nicht, die Verbreitung der Tierarten in regelmäßigen Abständen zu erheben: Denn so blickt man nur in die Vergangenheit, nachdem sich klimatische Änderungen bereits ausgewirkt haben. „Um zukünftige Entwicklungen besser abschätzen zu können, wollen wir die Temperaturbereiche, die heimischen Arten ein erfolgreiches Überleben ermöglichen, mit denen tatsächlicher oder potenzieller zugewanderter Arten vergleichen, wie etwa heimische mit italienischen Feldwespen, Feuerwanzen mit zugewanderten Malvenwanzen oder heimische Siebenpunkt-Marienkäfer mit zugewanderten Harlekin-Marienkäfern“, erklärt Kovac.

Die Messungen laufen im Labor ab: Die Tiere kommen in eine kleine Messkammer, die mit Luft durchströmt wird. In der „Abluft“ der Tiere (ausgeatmete Luft) wird der CO2-Gehalt bestimmt. Gleichzeitig hält die Infrarotkamera die Aktivität und die Körpertemperatur der Tiere fest. Manche Insekten atmen nur wenige Male pro Nacht. Das tun sie nicht über Lungen wie wir, sondern ein verzweigtes Röhrensystem (Tracheen) bringt die Außenluft direkt zu jedem Organ. Eine ruhig sitzende Honigbiene atmet bei 30 Grad beispielsweise einmal alle 37 Sekunden, unter zehn Grad versagt ihre Atmung ganz. Wespen sind kältetoleranter und atmen bei zehn Grad noch, dafür halten sie Hitze nicht so gut aus. „Dieser Vorteil wird von den Bienen bei der sogenannten ,thermischen Abwehr‘ genutzt“, erzählt Stabentheiner. Werden Bienen von Wespen im Nest überfallen, umringen die Bienen die Wespen und „heizen sie zu Tode“.

„Wir wollen nun die Anpassungsfähigkeit von Bienen, Wespen, Wanzen, Käfern und Ameisen erforschen, um Prognosen zu erstellen, wie ihre Überlebens- und Erfolgschancen in einer sich ändernden Umwelt mit unterschiedlichen Temperaturmaxima und -minima sind“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.