Finanzkrise trifft Waffenschmieden

Finanzkrise trifft Waffenschmieden
Finanzkrise trifft Waffenschmieden c EPA V.ALMANSA HANDOUT
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Erstmals seit Ende des Kalten Krieges ist der Umsatz der weltweit größten Rüstungskonzerne rückläufig. Cyber-Sicherheit bietet der Industrie aber neue Marktchancen.

Stockholm. Auch die Rüstungsindustrie bekommt die internationale Finanzkrise nun zu spüren. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges ist der Umsatz der weltweit größten Rüstungskonzerne rückläufig.

Die hundert Größten der Branche setzten 2011, im letzten Jahr, für das ein Überblick vorliegt, insgesamt 410 Milliarden Dollar um. Dies ist ein Rückgang um fünf Prozent gegenüber 2010, wie aus den jüngsten Ziffern hervorgeht, die das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri heute veröffentlichte. In der Zehnjahresperiode davor waren die Waffenverkäufe – zuletzt etwas langsamer – insgesamt um 51 Prozent gestiegen.

Doch nun bremst die Wirtschaftsflaute die Geschäfte der Rüstungskaufleute. Generelle Budgetkürzungen, vorgeschlagene und bereits durchgeführte Senkungen der Militärausgaben und vertagte Modernisierungsprogramme hätten vor allem in den USA und Westeuropa die Waffenverkäufe geschwächt, schreibt Sipri.

Hinzu kommt die Deeskalation an einzelnen Kriegsfronten: Die Reduzierung der Truppen im Irak und in Afghanistan beeinflussten den Waffenhandel ebenso wie die gegen Libyen verhängten Sanktionen. Die führenden Rüstungskonzerne reagierten mit Produktionskürzungen, Spezialisierung und teils mit dem Umstieg auf nicht-militärische Produktion auf die Krise oder versuchen, sich dort anzusiedeln, wo der Absatz noch blüht: Lateinamerika, der Nahe Osten und Asien bleiben die Hoffnungsmärkte der Waffenhändler.

Hinzu kommen neue Geschäftsbereiche: Das wachsende Problem der Cyber-Sicherheit gibt den Hightech-Unternehmen der Rüstungsbranche eine willkommene Marktchance.

Daten- und Netzwerksicherung

Sipri sieht einen „klaren Trend“, dass der Schutz gegen den „Cyber-Krieg“ als Thema nationaler Sicherheit politisch und budgetär zunehmend Bedeutung gewinne. Daten- und Netzwerksicherung sei daher trotz Haushaltskürzungen ein „privilegierter Kostenfaktor“ und gebe den damit befassten Konzernen die Möglichkeit, zivile Aufgaben zu übernehmen und gleichzeitig die technologische Kompetenz für elektronische Kriegsführung weiterzuentwickeln.

Trotz Finanzkrise dominieren US-amerikanische und westeuropäische Unternehmen das internationale Rüstungsgeschäft. Sieben US- und drei westeuropäische Firmen bilden die Top Ten des Waffenhandels, angeführt von den Luftfahrt- und Elektronikkonzernen Lockheed Martin und Boeing, die 78 bzw. 46 Prozent ihres Umsatzes mit Rüstungsgeschäften erwirtschaften.

Von den hundert größten Waffenschmieden sind 44 in den USA angesiedelt, 30 in Westeuropa. Gemeinsam stehen sie für 89 Prozent des Umsatzes. Mit der russischen United Aircraft liegt das erste Unternehmen, das nicht aus einem Nato-Land stammt, erst auf Rang 18 der Sipri-Liste. Als größter Konzern aus der sogenannten Dritten Welt folgt die indische Hindustan Aeronautics auf Platz 33.

Chinesische Waffenfabriken fehlen

Die Rangliste hat allerdings eine entscheidende Schwäche: Sie enthält mangels vergleichbarer Daten keine Unternehmen aus China, von denen sich einige laut Sipri für die Top 100 qualifizieren würden.

Neben der Beteiligung an EADS ist Deutschland mit vier Unternehmen unter den 100 größten Rüstungskonzernen vertreten: Rheinmetall (26.), Thyssen-Krupp (49.), Krauss-Maffei Wegmann (54.) und Diehl (60.). Die Gewichtung des Waffengeschäfts in den Konzernbilanzen ist höchst unterschiedlich: Beim Fahrzeugbauer Krauss-Maffei Wegmann macht es 96 Prozent des Umsatzes aus, beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp nur drei Prozent.

Österreichische Unternehmen sind unter den Top 100 der Sipri-Liste nicht vertreten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2013)

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