Wann Firmenwerte funktionieren

Company Values: Markenexperte Georg Wiedenhofer über die Kluft zwischen konzernverordneten Tugendworten und lebbaren Handlungsanweisungen.

Die Presse: Viele Firmen führen mit großem Aufwand unternehmensweit einheitliche Company Values oder Prinzipien ein. Warum greifen diese Kampagnen so selten?

Georg Wiedenhofer:
Weil auf dem Papier nur hehre Vorsätze stehen, die im realen Leben so nicht durchführbar sind. Die Menschen können damit rein gar nichts anfangen.  

Es fällt auf, dass solche Werte oft gespickt sind mit Tugendworten – abstrakten, grundsätzlich positiv besetzten Begriffen, unter denen aber jeder etwas anderes versteht. Das gilt auch für das Employer Branding: „Mitarbeiterorientierung“ ist so ein Wert.

Die meisten dieser Werte lassen eine Bandbreite an Deutungsvarianten, nach innen wie nach außen. Nach außen kann ich schnell etwas sagen, aber sagen und tun ist zweierlei. Nach innen muss ich diese Werte auf den Kern bringen und den Leuten konkrete Handlungsanweisungen geben. Zum Beispiel: „Wir kümmern uns um unsere Mitarbeiter.“ Was heißt denn das genau? Etwa: Dass ein Lehrling, der frisch ins Unternehmen kommt, durch alle Abteilungen geführt wird, einen Einschulungsplan bekommt und später dann Feedbackgespräche.

Damit einheitliche Firmenwerte funktionieren, müssen sie also für jeden Bereich übersetzt und konsequent gelebt werden. 


Nehmen Sie ein beliebiges Beispiel, etwa CSR (Corporate Social Responsibility). Marketing und HR reden ständig darüber, die Mitarbeiter werden danach geknechtet, aber die Chefitäten kümmern sich herzlich wenig darum – wer soll dann noch daran glauben? 

Von der Front hört man manchmal, dass sich langjährige Mitarbeiter gepflanzt fühlen, wenn ihnen nach 20 Jahren gesagt wird, sie sollen ab jetzt „kundenfreundlich“ agieren.

„Sei kundenfreundlich!“ – das erinnert mich an Paul Watzlawicks „Sei spontan!“ Was heißt denn „kundenfreundlich“? Zum Beispiel: Wenn ich ein Geschäft betrete, erwarte ich, dass ich gegrüßt werde. Aber soll man mich schon aus zehn Metern Entfernung grüßen, oder soll der Verkäufer zu mir kommen? Oder stürzen sich alle drei Verkäufer auf mich, um mich zu grüßen? Hier muss die gewünschte Balance zwischen aufdringlich und diskret definiert werden. Und zwar für jedes Thema einzeln.

Wie macht man das richtig?

Indem ich jeden Punkt praxisgerecht aufportioniere. Jeder im Unternehmen muss wissen, wie er die Werte umsetzt. Nur so bekommen sie den gewünschten Hebel.

Was macht man, wenn man Worthülsenwerte von der globalen Konzernzentrale vorgesetzt bekommt und sie nur eins zu eins umsetzen darf?

Man muss die Zentrale darauf hinweisen, aber wenn die Leute auf der anderen Seite das nicht einsehen, sitzen dort vielleicht die falschen Leute. So etwas passiert.

Die Idee, bestehenden Unternehmen einheitliche Firmenwerte überzustülpen, ist auch schon wieder ein paar Jahre alt. Ist sie überhaupt noch der letzte Schrei?


Ich würde sogar sagen, das Pendel schlägt ein wenig zu heftig aus. Bei uns ist das gerade ein rasantes Thema. In der österreichischen Politik und Wirtschaft ist einiges passiert, was nicht in Ordnung war. Und darum wird das gerade jetzt sehr heiß gekocht. Die KMU-Szene befasst sich stark damit. Ich denke, ein gutes Mittelmaß wäre völlig ausreichend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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