Der neue Staatschef ist mächtig wie keiner vor ihm seit der Deng-Ära. Die Herausforderungen sind gewaltig.
Peking. Chinas neues Staatsoberhaupt, Xi Jinping, liegt zwischen Bashar al-Assad und Kim Jong-il. 99,86 Prozent der Delegierten im Nationalen Volkskongress haben am Donnerstag für Xi gestimmt. Bei knapp 3000 Abgeordneten gab es nur eine Gegenstimme und drei Enthaltungen. Syriens Präsident erhielt bei seiner Wahl 2007 „nur“ 97,62 Prozent, Nordkoreas inzwischen verstorbener Diktator Kim Jong-il hingegen konnte 2009 sogar 99,98 Prozent vorweisen.
Vier Monate nachdem die Führungsriege von Chinas regierender Kommunistischer Partei Xi zum Parteichef gekürt hat, ist er seit Donnerstag auch offiziell die Nummer eins der bevölkerungsreichsten Nation der Welt. Der 59-Jährige ist von Beginn seiner Amtszeit an mächtiger als seine Vorgänger. Denn auch den Vorsitz über Chinas Militärkommission hat er bereits übernommen. Damit ist Xi auch Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee. Sein Vorgänger, Hu Jintao, erhielt diesen einflussreichen Posten erst einige Jahre, nachdem er Präsident geworden war. „In der jüngeren Vergangenheit gab es keine vergleichbare Figur, die so viel Macht übertragen bekam wie Xi“, sagt der Politologe Willy Lam von der China-Universität Hongkong.
Xis Wahl galt nur noch als Formsache. Das Gerangel um die Staatsführung der kommenden zehn Jahre fand bereits im Vorfeld des 18. Parteitags im vergangenen Herbst statt. Eine Serie von Korruptionsskandalen drohte damals die gesamte Partei ins Wanken zu bringen. Doch eine Schlappe blieb der neuen Führung auch am Donnerstag nicht erspart.
Bei der Wahl des Vizepräsidenten erhielt Li Yuanchao 80 Gegenstimmen und 37 Enthaltungen – für KP-Verhältnisse ein Schlag ins Gesicht. Li war bereits bei der Kür des mächtigen siebenköpfigen Ständigen Ausschusses des Politbüros im November leer ausgegangen. Li gilt als enger Vertrauter von Hu Jintao. Beobachter interpretieren die hohe Zahl an Gegenstimmen daher vor allem als Kritik an dem scheidenden Präsidenten.
Smog, Korruption, Gelage
Dessen Regierung hinterlässt zwar ein Land, dessen Wirtschaftsleistung sich allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt hat. Doch Ökonomen kritisieren, das Wachstum sei nicht nachhaltig. Denn zugleich ist das Wohlstandsgefälle größer geworden. Vor allem aber hat die Umweltzerstörung dramatische Ausmaße angenommen. Allein im heurigen Winter lebten zeitweise bis zu 800 Mio. Menschen unter einer geschlossenen Smogdecke. 40 Prozent der Gewässer sind verschmutzt.
Große Probleme bereitet zudem die ausufernde Korruption. Xi hat mehrfach betont, dass für ihn der Kampf gegen die Korruption ganz oben auf der Agenda stehe – „unabhängig von Rang und Namen“ der Betroffenen. Das Volk wünsche sich, „dass seine Kinder besser aufwachsen und bessere Arbeitsbedingungen haben“. Diesen Wunsch werde er erfüllen.
Dem Staatsapparat hat er bereits mehr Bescheidenheit verordnet. Zuletzt übliche Ess- und Trinkgelage will er abschaffen, die Zahl nobler Dienstkarossen einschränken. Schon meldet Chinas Luxusbranche Umsatzeinbußen.
Außenpolitisch hinterlassen ihm seine Vorgänger ebenfalls jede Menge Baustellen. Lösungen für die Insel-Dispute mit Japan, den Philippinen und Vietnam sind nicht in Sicht. Chinas ungehemmte wirtschaftliche Expansion vor allem in Afrika betrachten die USA und Europa mit Argwohn. Hinzu kommen jede Menge Handelskonflikte. Das Problem, laut Politologe Willy Lam: Außenpolitisch gehöre auch Xi zu den Hardlinern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2013)